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Austritt aus der Kirche «Unter dieses Dach stellen wir uns nicht mehr»

Dass der Papst Abtreibung mit Auftragsmord gleichsetzt, geht für sechs profilierte Schweizerinnen zu weit. Sie sind nun aus der katholischen Kirche ausgetreten – aus Protest gegen diese Worte. Eine von ihnen ist die ehemalige Nationalrätin der Grünen, die Luzernerin Cécile Bühlmann.

Cécile Bühlmann

Ehemalige Nationalrätin

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Die Luzernerin Cécile Bühlmann ist ehemalige Nationalrätin. Sie sass von 1991 bis 2005 für die Grünen im Nationalrat. Von 1993 bis 2005 war sie Fraktionspräsidentin der Grünen. Von 2005 bis 2013 hat Bühlmann den Christlichen Friedensdienst (cfd) – eine feministische Friedensorganisation – geleitet.

SRF News: Warum hat Papst Franziskus mit diesem Vergleich das Fass zum Überlaufen gebracht?

Cécile Bühlmann: Er hat damit eigentlich gesagt, dass Frauen, die ja oft aus einer Notlage heraus abtreiben, Auftragsmörderinnen seien. Und das ist eine so frauenfeindliche und frauenverachtende Aussage, dass ich und andere gefunden haben: Jetzt reicht es. Wir haben die Hoffnung verloren, dass sich mit diesem Papst – auf dem ja viele neue Hoffnungen ruhten – irgendetwas zu Gunsten der Frauen verändern wird.

Was wollen Sie mit diesem auch symbolträchtigen Schritt bewirken?

Wir wollen zeigen, dass wir nicht unter diesem Dach der römisch-katholischen Kirche stehen wollen, die am Ende für so viel Frauenfeindlichkeit in ihrer Geschichte verantwortlich ist. Wir sind engagierte Frauenrechtlerinnen, Feministinnen – und wir haben uns gegenüber die Selbstachtung wahren müssen. Sodass wir sagen: Unter dieses Dach stellen wir uns nicht mehr.

Wir haben die Hoffnung definitiv verloren, dass sich mit diesem Papst – auf dem ja viele neue Hoffnungen ruhten – irgendetwas zu Gunsten der Frauen verändern wird.

Wie viel Mut brauchte der Schritt?

Es braucht Mut, aber: Es ist auch konsequent, weil der Ärger und der Frust darüber, dass diese römisch-katholische Kirche immer wieder Dinge tut, uns schockieren. Auch die ganze Missbrauchsgeschichte ist ja so weit verbreitet – das ist nicht ein Randphänomen, das ist im Kern dieser Religion angesiedelt. Der Ärger ist alt. Nun ist einfach mit dieser frauenfeindlichen Äusserung das Fass zum Überlaufen gebracht worden. Ich habe mir die Frage gar nicht gestellt, ob es Mut braucht. Ich habe einfach gewusst: Jetzt muss ich diesen Schritt tun.

Was kann das konstruktive Ziel von Ihrem Kirchenaustritt sein?

Es kann sein, dass andere Frauen diesen Schritt auch tun. Aber diese Hoffnung ist an einem kleinen Ort, dass das tatsächlich etwas bewegt. Ich glaube eher, dass die römisch-katholische Kirche riskiert, dass sie alle Frauen verliert, als dass sie sich bewegt und eine gleichberechtigte Kirche wird, in der Frauen einen gleichberechtigten Platz haben. Auch die ganze Frage, ob Frauen Priesterinnen werden können oder nicht – das ist ebenfalls etwas, was einfach so nicht mehr in unsere heutige Zeit passt. Vielleicht gibt es noch einen Anschub, aber ich glaube eher, dass es zur Emigration vieler Frauen führen wird und dass die katholische Kirche am Schluss als alte Männerkirche dastehen wird, der Frauen davongelaufen sind.

Bis jetzt waren Sie Mitglied der Kirche – was bedeutet es für Ihren persönlichen Glauben, wenn Sie nicht mehr Teil dieser Kirche sind?

Das hat gar nichts miteinander zu tun. Ich habe mich auch öffentlich nicht zu meinem Glauben geäussert. Ich äussere mich zur katholischen Kirche als Institution, die Werte prägt. Und da war sie in vielen Fragen meine Verbündete – das muss ich sagen – etwa in der Politik. Das ist auch ein Grund, weshalb ich bis heute geblieben bin. Die katholische Kirche der Stadt Luzern macht ganz viele gute Dinge. Das hat mich immer dabei gehalten und ich habe der katholischen Kirche Luzern versprochen, dass ihr meine Steuergelder für ihre tollen Projekte, die sie macht, zugutekommen. Diesen Überbau kann ich jedoch einfach nicht mehr stützen.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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