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Pascal Strupler, Direktor des BAG, im Gespräch
Aus Samstagsrundschau vom 29.02.2020. Bild: Keystone
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BAG-Chef steht Red und Antwort «Wir lassen uns nicht von Verunsicherung treiben»

Vor zwei Wochen noch sagte das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Risiko einer unkontrollierten Ausbreitung des Coronavirus in Europa sei gering. Unterdessen aber werden aus vielen Ländern immer mehr Ansteckungen gemeldet, auch aus der Schweiz. Hat das BAG die Situation zu lange falsch eingeschätzt? BAG-Direktor Pascal Strupler nimmt in der «Samstagsrundschau» Stellung.

Pascal Strupler

Pascal Strupler

BAG-Direktor

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Pascal Strupler ist seit dem 1. Januar 2010 Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Seine berufliche Laufbahn führte ihn seit 1986 durch vier eidgenössische Departemente (Finanzen, Wirtschaft, Auswärtige Angelegenheiten und Inneres). Strupler verlässt das BAG Ende September 2020, wie er bereits im Oktober 2019 angekündigt hat.

SRF News: Am Dienstag gab es in der Schweiz den ersten Fall einer Corona-Ansteckung. Wo stehen wir heute?

Pascal Strupler: Wir haben nun fast 1000 Tests durchführen lassen. Wir haben 12 sicher bestätigte Fälle sowie fünf positive Fälle in kantonalen Labors, die nun noch in Genf getestet werden. Wir haben eine Umgebung, in der das Virus stark zugenommen hat, etwa in Italien mit 890 positiven Fällen und 21 Todesfällen. Rund um die Schweiz ist einiges los.

Handelt es sich bei den bestätigten Erkrankungen um leichte Fälle?

Vorläufig sind es leichte Fälle, die nach einer Behandlung im Spital und einem zeitlichen Ablauf, der einer Quarantäne entspricht, wieder heimgehen können.

Man geht davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt, die eher zunehmen wird.

Haben Sie immer noch bei allen Fällen den Überblick über die Ansteckungskette?

Das haben wir zum Glück bis jetzt, ja. Wir versuchen so lange wie möglich, die Kontakte herzustellen und auf den Ursprung zurückzuführen. Das kann sich allerdings sehr schnell ändern bei einer zunehmenden Zahl. Sobald man die Ketten nicht mehr nachverfolgen kann, müssen wir eine andere Strategie fahren.

Gibt es eine Dunkelziffer – und wie gross könnte diese in der Schweiz sein?

Man geht davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt, die eher zunehmen wird. Es lässt sich nicht vermeiden, dass es Leute gibt, die eventuell eine Ansteckung haben, aber selber (noch) keine Symptome verspüren.

Haben wir eine epidemiologische Krise in der Schweiz?

Epidemiologisch sind wir nicht in einer Krise, aber wir bereiten uns auf eine Ausbreitung vor. Wir haben unsere Informationskanäle verdoppelt und die Kapazitäten der Info-Linie, auf Social Media und der Website erhöht. Wir waren praktisch jeden Tag vor der Presse diese Woche. Unser Ziel ist der Schutz der Schweizer Bevölkerung vor dem Virus.

Der Bundesrat hat eine «besondere Lage» ausgerufen und ein Veranstaltungsverbot gesprochen – was ist das Ziel?

Es gilt nicht abzuwarten, bis es zu spät ist. Jede Intervention in einer sich anbahnenden Krise soll helfen, dass man den Prozess verlangsamt. Das war die Idee des Bundesrates.

Das Virus kann unter Umständen schneller sein, als unsere Massnahmen. Der Bundesrat wird reagieren, wenn das Virus aus der Bahn gerät.

Gehen Sie davon aus, dass man das mit dieser Massnahme erreichen kann?

Wir gehen davon aus. Das Virus kann unter Umständen schneller sein, als unsere Massnahmen. Der Bundesrat wird auch reagieren, wenn das Virus aus der Bahn gerät.

Wie läuft eine Lage-Analyse ab?

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BAG-intern sind rund zehn Leute daran, die Lage täglich und permanent zu analysieren. Pro Woche gibt es zwei bis drei Telefonkonferenzen mit den Kantonsarztämtern. Die interne BAG-Taskforce hält zudem zwei bis drei Sitzungen pro Woche ab und der Bundesrat wird laufend informiert.

Seit Freitag ist laut BAG-Direktor Pascal Strupler zudem ein überdepartementaler Bundesstab aktiv, dem auch die kantonale Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) sowie die Armee angehören.

Haben Sie ein Konzept, was in einem solchen Fall als Nächstes folgen könnte?

Ja. Wir würden aber schauen, wo das stattzufinden hätte. Es könnte geografische Schwerpunkte geben. Das Virus könnte sich aber auch in der ganzen Schweiz ausbreiten. Wir versuchen, dem Bundesrat Massnahmen vorzuschlagen, die angepasst sind.

Falls es sich auf die ganze Schweiz ausbreitet – was passiert dann?

Dann muss man sich vielleicht überlegen, ob man nicht nur Veranstaltungen über 1000 Teilnehmern verbieten soll, sondern alle Anlässe. Es gilt hier, mit Mass vorzugehen, aber klar und befristet, damit man sie immer wieder anpassen kann. Wichtig ist die Verhältnismässigkeit und die Nützlichkeit der Intervention.

Der Schutz der Bevölkerung hatte für den Bundesrat erste Priorität.

Die ökonomischen Auswirkungen für die Schweiz sind enorm. Ist das gerechtfertigt?

Der Bundesrat will ja nicht nur Massnahmen ergreifen, wenn es zu spät ist. Man will vermeiden, dass man eine Ausweitung hat, die noch schlimmere Folgen nach sich ziehen kann. Es ist eine harte Massnahme mit wirtschaftlich gravierenden Konsequenzen. Der Schutz der Bevölkerung hatte aber für den Bundesrat erste Priorität.

Trotz des leichten Verlaufs des Virus hierzulande ist quasi in den Medien der Ausnahmezustand ausgebrochen.

Wir sind sehr weit von einem Ausnahmezustand entfernt. Drastische Massnahmen wären, wenn man ein Dorf oder eine Stadt abriegeln müsste.

Wie viel Einfluss auf den Entscheid des Bundesrates hatte die Medienberichterstattung und die Verunsicherung der Bevölkerung?

Wir lassen uns nicht von Verunsicherung treiben. Wir haben genug Leute, die professionell agieren und eine Analyse treffen können. Ein Feedback der Bevölkerung und von den Medien ist aber wichtig, das trägt zu einer breiten Analyse bei.

Das Gespräch führte Oliver Washington.

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