Zum Inhalt springen

Bald zu wenig IPS-Betten? Forderung nach gesetzlicher Grundlage für Triage wird laut

Die Intensivbetten werden knapp. Jetzt fordern Stimmen aus Praxis und Politik ein Gesetz, das die Triage regelt.

Nach dem höchstrichterlichen Entscheid in Deutschland, wonach es angesichts von möglicherweise bald zu wenigen Intensivbetten für die drohende Triage der Patientinnen und Patienten eine gesetzliche Grundlage brauche, wird diese Forderung auch in der Schweiz laut.

Derzeit gelten zur Triage die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Das höchste Fachgremium gibt damit praktische Leitplanken für den Alltag im Spital. Sie hat das Papier unter dem Eindruck der Corona-Pandemie verschiedene Male überarbeitet.

Wer entscheidet über Triage?

Dabei hat auch Tanja Krones mitgeholfen. Sie ist Ärztin und Leiterin der Klinischen Ethik am Universitätsspital Zürich. In der Sendung «Rendez-vous» vom Dienstag umriss sie, welche Punkte die Richtlinien nicht regeln können.

Dazu gehört die Frage der Verantwortung: «Wer sagt, wann eine Triage-Situation eintritt? Es wäre sehr wünschenswert, wenn das eine Behörde ausspricht – sei es der Kanton oder der Bund.» Das würde Klarheit für alle schaffen, so Krones.

Zudem müssten die behandelnden Teams in den Spitälern nach Triage-Entscheiden vor möglichen rechtlichen Folgen geschützt werden, betonte sie.

Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf

Bisher hat das Schweizer Parlament die Triage-Richtlinien inhaltlich nicht vertieft diskutiert. Die Frage nach den gesetzlichen Leitplanken hat jedoch die Baselbieter Ständerätin Maya Graf aufgeworfen – allerdings sah der Bundesrat im zu Ende gehenden Jahr keinen Handlungsbedarf.

Die Landesregierung gab in ihrer Antwort den behandelnden ärztlichen Teams den Lead bei den konkreten Entscheidungen: «Sollte sich trotz allem die Frage nach einer Triage bei intensivmedizinischen Massnahmen stellen, ergeben sich rechtliche Vorgaben aus dem Verfassungs- wie strafrechtlich geschützten Recht auf Leben, dem Rechtsgleichheitsgebot sowie dem Diskriminierungsverbot.»

Müssen Ärzte entscheiden?

Gleich wie der Bundesrat sieht es auch der Präsident der nationalrätlichen Gesundheitskommission, Albert Rösti (SVP/BE). «Das Wissen der Ärztinnen und Ärzte ist entscheidend – und das reicht im Moment aus», sagt er.

Das Wissen der Ärztinnen und Ärzte ist entscheidend – und das reicht im Moment aus.
Autor: Albert Rösti Nationalrat und Präsident der Gesundheitskommission

Da würde dann rasch die Frage nach dem Verschulden aufgeworfen, gibt auch Gesundheitspolitikerin Flavia Wasserfallen (SP/BE) zu bedenken. Sie halte es für «gefährlich», wenn man die Frage der Triage verpolitisiere und nicht nach rechtlich-ethisch-medizinischen Aspekten entscheide.

Ruf nach gesetzlicher Konkretisierung

Doch Ständerat Damian Müller (FDP/LU) möchte die behandelnden Teams nicht alleine lassen. «Man kann die Triage nicht delegieren», betont er. «Es ist am Bundesrat, sich zu überlegen, nach welchen Kriterien eine Triage allenfalls stattfinden kann.»

Es ist am Bundesrat, sich zu überlegen, nach welchen Kriterien eine Triage allenfalls stattfinden kann.
Autor: Damian Müller Ständerat (FDP/LU)

Entsprechende politische Vorstösse liegen zwar noch nicht auf dem Tisch. Doch Maya Graf will ihr Anliegen nochmals aufnehmen. Es brauche politisch breit abgestützte, rechtliche Grundlagen. «Sie würden dem Personal vor Ort, das in einer Triage-Situation entscheiden muss, eine rechtliche Sicherheit geben», betont sie.

Auch bei der Akademie der Medizinischen Wissenschaften werden die Arbeiten an den Richtlinien im neuen Jahr weitergehen. Immerhin: Ihre Stimme ist in der Politik inzwischen gehört worden.

Rendez-vous, 29.12.2021, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel