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Barrierefreiheit als Ziel Neuer Bericht zeigt Verzögerungen bei Hunderten Bahnhöfen

Der Haltestellen-Ausbau stockt weiterhin. An vielen Stationen sind Menschen mit Beeinträchtigung auf Hilfe angewiesen.

Darum geht's: Der öffentliche Verkehr in der Schweiz muss barrierefrei sein – so steht es im Behindertengleichstellungsgesetz, das vor fast 20 Jahren in Kraft getreten ist. Nach wie vor ist dieses Ziel aber nicht erreicht. Das zeigt der Jahresbericht zum Thema vom Bundesamt für Verkehr (BAV).

Vielerorts ist barrierefreies Reisen möglich ...: Auf 82 Prozent der Bahnstrecken, die Reisende hierzulande zurückgelegt haben, sei selbstständiges und spontanes barrierefreies Reisen möglich, heisst es im Bericht.

... aber nicht überall: Der Blick auf die einzelnen Haltestellen zeigt jedoch: Ende 2024 entsprachen 1132 der rund 1800 Stationen den gesetzlichen Vorgaben und konnten damit von Personen mit Gehbeeinträchtigung autonom und spontan benutzt werden.

Doch auch diese Zahlen trügen etwas: Bei 126 Bahnhöfen seien noch nicht alle Nebenzugänge saniert oder kleinere Nachbesserungen stünden noch an, schreibt das BAV.

Mancherorts dürfte es bei Ersatzmassnahmen bleiben: Bei rund 150 Bahnhöfen (8 Prozent) sei eine bauliche Anpassung zudem unverhältnismässig, weil unter anderem das Passagieraufkommen im Verhältnis zu den Kosten nur sehr klein sei. Hier müssten dauerhaft Ersatzmassnahmen angeboten werden wie zum Beispiel Hilfe durch Bahnpersonal. Für die Benutzung von zu kleinen Liften oder anderen kleineren Hindernissen können Betroffene seit Januar 2024 Hilfestellung vor Ort anfordern.

Informationsangebot der SBB

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Personen mit eingeschränkter Mobilität können sich seit 2024 via Onlinefahrplan umfassender über die Barrierefreiheit der Haltestellen und angebotene Ersatz- oder Überbrückungslösungen informieren – und zwar beim Contact Center Handicap der SBB .

Es geht nur langsam voran beim Umbau: Per Ende 2024 haben die Bahnen bei 43 Bahnhöfen die baulichen Anpassungen abgeschlossen, wie der BAV-Bericht zeigt. Bei rund 28 Prozent aller Bahnhöfe und Haltestellen haben die Infrastrukturbetreiber die Sanierung trotz mehrfacher Intervention des BAV aber auch ein Jahr nach der gesetzlichen Anpassungsfrist von Ende 2023 noch nicht umgesetzt. In manchen Fällen werde sich die Umsetzung bis über das Jahr 2030 hinaus verzögern.

Person im Rollstuhl verlässt Zug durch offene Türen.
Legende: Bis Ende 2023 hätten Bahnhöfe und Haltestellen grundsätzlich behindertengerecht umgebaut sein müssen. Bei den rund 25'000 Bushaltestellen in der Schweiz liegt die BehiG-Umsetzung in der Verantwortung der Kantone und Gemeinden. KEYSTONE / Gaetan Bally

Von der verspäteten Umsetzung seien auch grosse Bahnhöfe betroffen. Bei diesen stünden zeitgleich zur nötigen Anpassung an das Behinderten­gleichstellungs­gesetz (BehiG) sehr grosse Bahnhofsausbauprojekte an, die mit der Anpassung koordiniert werden müssten (zum Beispiel Bern, Lenzburg, Zürich HB SZU, Wädenswil), so das BAV.

Weitere Verzögerungen bei mehr als 300 Projekten: Gemäss aktueller Planung der Bahnen würden bis Ende 2028 weitere 186 Bahnhöfe baulich angepasst sein, schreibt das BAV. Damit werde sich der Anteil der Passagiere, die grösstenteils autonom und spontan reisen können, auf 86 Prozent erhöhen. Bei 312 Bahnhöfen verzögerten sich die Anpassungen trotz wiederholter Intervention des BAV. Die Bahnen geben als Grund für die Verzögerungen unter anderem Personalmangel sowie fehlende Zeitfenster für die Bauarbeiten an.

So reagieren Betroffene auf die neuen BAV-Zahlen: «Der gesetzeswidrige Umsetzungsstand zeigt, dass die Barrierefreiheit nicht die nötige Priorität erhält. Die Prognosen stagnieren und verschlechtern sich in der Tendenz sogar», sagt Jonas Gerber von der Organisation Inclusion Handicap. Das Parlament müsse nun für wirkungsvolle Kontrollmechanismen sorgen, fordert er. Die SBB meldet bei den von ihr betreuten Haltestellen einen Fortschritt von 20 Haltestellen im vergangenen Jahr. Mittlerweile seien 484 von 764 Bahnhöfen umgebaut, erklärt eine SBB-Mediensprecherin gegenüber Radio SRF. «Ja, wir sind noch nicht am Ziel. Das bedauern wir.»

SRF4 News, 9.7.2025, 11 Uhr ; 

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