Das Wichtigste in Kürze
- Wer in der Schweiz ein KMU oder ein Familienunternehmen führt, bezahlt für seine Angestellten obligatorisch in die Arbeitslosenversicherung ALV ein. Auch für Familienmitglieder oder Ehepartner, die mitarbeiten.
- Doch wenn das Geld knapp wird und man Angehörige entlassen muss, verweigert die Arbeitslosenkasse die Zahlung – wegen dem grossen Missbrauchspotenzial.
- Tausende sind wohl betroffen, und wissen es oft nicht mal. GLP-Nationalrat Jürg Grossen fordert vom Parlament eine Lösung des Problems. Bisher ohne Erfolg.
In vielen Schweizer KMUs oder Start-Up-Unternehmen arbeiten die Ehefrau, der Ehemann oder Angehörige mit. Wenn es finanziell eng wird und sie den Job verlieren, haben Betroffene in vielen Fällen kein Anrecht auf Geld aus der Arbeitslosenversicherung. Von dieser Regelung sind wohl Tausende betroffen. Und wissen es oft nicht.
Ein Kleinunternehmer aus Zürich kann davon ein Lied singen. Seine GmbH, die sich ursprünglich auf Hauswartungen spezialisierte, gibt es seit 2011. Vor drei Jahren hatten er und sein Partner eine Geschäftsidee. Sie kauften sich einen Lastwagen und tourten als «Waffelkönig» durchs Land.
Die Ernüchterung folgte nach zwei Jahren. Das Pflaster ist hart. Und die Anzahl verkaufter Waffeln blieb überschaubar. Die beiden gaben das Waffelgeschäft auf. Der Kleinunternehmer behielt die GmbH und machte mit den Hauswartungen weiter. Seinem Partner kündigte er auf Ende 2017.
Als Familienmitglied kein Anspruch auf Leistungen
Der Partner meldete sich umgehend beim RAV und fand zweieinhalb Monate später einen neuen Job. Für die Zeit der Jobsuche erhielt er von der Arbeitslosenkasse Unia den versicherten Lohn.
Ein halbes Jahr später meldete sich die Arbeitslosenkasse Unia. Sie forderte den gesamten Betrag von 5700 Franken zurück. Leider sei ein Fehler passiert: Man habe erst jetzt bemerkt, dass die beiden in einer eingetragenen Partnerschaft leben. Und Ehepartner hätten bei der Entlassung aus dem Familienbetrieb keinen Anspruch auf Leistungen.
Die beiden können es nicht glauben. Für sich selbst und seinen Partner zahlte der Kleinunternehmer in die ALV ein, ohne dass sie Leistungen beziehen können. Das sei ja fast wie wenn man jahrelang Krankenkassenprämie einzahle und dann im Krankheitsfall erfahre, dass man keine Leistung beziehen kann.
So will es das Gesetz, sagt Timur Öztürk von der Arbeitslosenkasse Unia. Die Begründung: Als Ehepartner haben Angestellte einen grossen Einfluss auf Firmenentscheide. Deshalb bestehe ein beträchtliches Missbrauchspotenzial.
«Es könnte passieren, dass man den Partner entlässt, wenn die Finanzen schlecht sind, um so das Geschäft über die Arbeitslosenkasse quer zu finanzieren. Und wenn es besser läuft, stellt man den Partner einfach wieder ein.» Und für das sei die Arbeitslosenversicherung nicht da. Aber ja, das Gesetz sei in diesem Punkt knallhart, vielleicht etwas zu hart, sagt Timur Öztürk.
Weiterführende Informationen des WBF:
Tausende betroffen
Schon lange ein Dorn im Auge ist diese unfaire Regelung dem Nationalrat und GLP-Präsident Jürg Grossen. Selbständigerwerbende mit GmbH oder AG und Ehepartner in einem Familienbetrieb hätten fast keine Chance auf Arbeitslosengeld. Einzahlen müssen sie trotzdem. Grossen hat im Parlament schon zwei Vorstösse dazu lanciert. Bisher ohne Gehör.
Jürg Grossen ist überzeugt, dass es zwingend eine Lösung braucht. «Entweder zahlen Betroffene nicht in die ALV ein, oder man findet sonst einen Weg», sagt Grossen zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». «Aber so wie die Situation heute ist, kann es nicht bleiben.»