«Sonntagsschule ist nicht mehr so, wie sie unsere Grosseltern kannten», heisst es in einem Video der reformierten Kirchgemeinde Bözberg-Möhntal im Kanton Aargau. «Bei uns fägt es.» Es werde gemalt, gebastelt und gesungen, dazu würden Bibelgeschichten erzählt, kindgerecht inszeniert. Trotzdem: Solche Angebote sind inzwischen sehr selten geworden.
Im Aargau werde noch an vier Orten eine traditionelle Sonntagsschule angeboten, sagt Religionspädagogin Monika Thut von der Reformierten Landeskirche Aargau: «Diese Sonntagsschulen befinden sich in stark protestantisch geprägten, kleinen Dörfern etwas ‹ab vom Schuss›. Also an Orten, wo die Kirche noch eine Art Selbstverständlichkeit ist.»
Das Konzept der Sonntagsschule stammt aus dem 18. Jahrhundert. Im Aargau wurden reformierte Sonntagsschulen im Jahr 1905 eingeführt. Während die Eltern den Gottesdienst besuchten, wurden die Kinder in Bibelkunde unterrichtet. Doch schon in den 1980er-Jahren riefen Kirchgemeinden zur «Rettung der Sonntagsschule» auf, da die Zahl der Kinder dramatisch schrumpfe.
Die Entwicklung überrascht nicht: Auch die Zahl der Kirchenmitglieder schrumpft. Über 30'000 Menschen haben der reformierten Kirche im Jahr 2022 den Rücken gekehrt. Die Aargauer Kirche verzeichnete mit knapp 5000 Austritten 2023 einen neuen Rekord. Kinderbetreuung während des Gottesdienstes ist also kaum mehr nötig.
Neue Angebote, auch ausserhalb der Kirche
Dafür sind andere Angebote entstanden. Eine «Kinderkirche» in Aarau, das «Fiire mit de Chliine» in Rheinfelden, der «Kindergottesdienst» in Baden. Diese Angebote finden häufig nicht mehr am Sonntag statt. Zudem stünden alle diese Angebote heute noch stärker in Konkurrenz zu ausserkirchlichen Aktivitäten, sagt Monika Thut.
Dabei gebe es auch ausserhalb der Kirche durchaus Angebote mit spirituellem Ansatz. «Kinder-Yoga finde ich zum Beispiel sehr gut. Wenn Eltern eher im Yoga-Bereich daheim sind, dann haben wir mit unserer christlichen Tradition sowieso keine Chance.» Wichtig seien Angebote, welche die Kinder in ihrer persönlichen Entwicklung förderten, findet Monika Thut von der Aargauer Landeskirche.
Aus professioneller Sicht müssen Angebote einen Mehrwert für die Kinder bieten.
«Auch in Jugendverbänden geht es dabei nicht um Leistung. Sondern um Zusammenhalt, Gemeinschaft und Haltung; Haltung gegenüber der Natur oder gegenüber Menschen.» Solche Angebote müssen aus ihrer Sicht nicht unbedingt christlich ausgerichtet sein.
Kinder sollen wollen, nicht müssen
Selbst für die kirchliche Jugend- und Kinderarbeit findet Monika Thut nämlich vor allem psychologische Aspekte wichtig. «Es geht darum, wie wir Kinder in ihrer Resilienz stärken können. Damit sie in dieser Welt bestehen können, in der es um Leistung oder Schönheit geht. Wir müssen Gegenwerte vermitteln.»
Die klassische Sonntagsschule hat wohl bald ausgedient. Die Zeiten sind vorbei, in denen reformierte Eltern ihre Kinder am Sonntag zur Bibelkunde «schicken», sagt Monika Thut. Und erinnert sich dabei an ihre eigene Vergangenheit als Sonntagsschülerin.
«Es gab da immer einen, der sich saudoof verhalten hat. Der wollte offensichtlich nicht kommen und die gute Sonntagsschullehrerin hatte immer ein Zeug mit ihm», erzählt sie. Heute sei klar: Es kommen die, die kommen wollen. «Das ist ja ein schöner Ansatz, auch im Verein oder bei anderen Zusammenkünften. Man macht mit denjenigen etwas, die auch gerne mit dabei sind.»