Bei Autobahnen denkt man spontan an Lärm und Luftverschmutzung durch die Abgase der Fahrzeuge, die tagtäglich zu Tausenden in hohem Tempo vorbeirauschen. Doch: Neben Autobahnen ist oft Wiese, Wald oder Natur – potenzielle Brutstätten für Artenvielfalt.
2012 beschloss der Bundesrat, die Biodiversitätsstrategie umzusetzen. Dies beeinflusst eben auch die Grünflächen rund um die Autobahnen. So arbeiten zur Zeit Teams von Botanikerinnen und Zoologen, um Flora und Fauna entlang der Nationalstrassen zu untersuchen. Das Ziel: Entlang von Autobahnen sollen auf 20 Prozent der Grünflächen künftig mehr Pflanzen und Tiere leben.
Biodiversität an Autobahnen
Mehrere Teams erarbeiten im Auftrag des Bundesamts für Strassen (Astra) den aktuellen Bestand mit Feldaufnahmen. Für Lebewesen kann es durchaus interessant sein, just in dieser lauten Umgebung mit Abgasbelastung zu leben, sagt die Biologin Cécile Eicher. «Entlang dieser Böschungen können sie kilometerweit wandern. Das gibt eine gute Vernetzung.»
Viel zusammenhängender Lebensraum
Intensiv durch die Landwirtschaft bewirtschaftete Äcker seien Ödland; da würden wenige Lebewesen wandern. «Dann kommt wieder eine Strasse», sagt Eicher. So wird alles wieder unterbrochen. Entlang der Autobahnen ist der zusammenhängende Lebensraum also viel grösser. Und das ist förderlich für die Biodiversität.
Die Erhebungen des Astra begannen 2020. Seither stapfen immer wieder Biologinnen und Zoologen durch die Felder, Wiesen und Böschungen – Schritt für Schritt, Grashalm für Grashalm. Von den Tierchen werden namentlich Heuschrecken und Tagfalter erfasst. Diese sind gute Indikatoren für die Biodiversität.
Den Lärm kann ich irgendwann ausblenden.
Bis es so weit ist, arbeiten die Biologinnen weiterhin entlang der Autobahnen, ein Knochenjob. Céline Eicher erzählt: «Den Lärm kann ich irgendwann ausblenden. Zwischendurch gibt es auch ruhigere Flächen. Das Anstrengende ist die Hitze. Und weil wir von weit weg kommen, machen wir Monstertage.» Erschöpft kommt sie abends um 22 Uhr nach Hause, nach 14 oder 16 Stunden.
Eicher reist mit ihren Kolleginnen aus Bern an und arbeitet momentan in Goldach (SG) am Bodensee. Die Wiesenböschungen hinter den Leitplanken in der Ostschweiz haben sie überrascht. Sie sähen anders aus als im Raum Bern: «Ich war erschlagen ob der Schönheit. Es hat viele angrenzende Naturschutzgebiete. Deshalb gab man hier früh Acht darauf. In Bern ist man noch nicht so weit.»
Unterschiedliche Herausforderungen pro Region
Für die Region Ostschweiz und Zürich verantwortlich ist Yvonne Zippert, Projektleiterin beim Astra. Je nach Region gebe es verschiedene Herausforderungen, sagt sie: «In der Ostschweiz haben wir oft Dritte, die die Flächen pflegen. Diese zu finden, war schwierig.» Im Raum Zürich sei es beispielsweise auf der Baustelle am Nordring schwierig gewesen. «Wir mussten das planen, ohne dass wir wussten, wie es einmal aussehen wird.»
Nämlich blumiger und lebendiger, dank neuen Pflanzenarten, Steinhaufen und Asthügeln, die Tieren Unterschlupf bieten, oder dank weniger intensiver Bewirtschaftung. Noch ist man nicht so weit. Bis Ende Herbst soll alles erfasst sein – bis Ende 2025 sollen die Massnahmen umgesetzt sein.