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Brisante Studie Warum Krebsmedikamente so teuer sind

Eine neue Studie zeigt: Bei den Medikamentenpreisen gibt es eine massive, medizinisch nicht erklärbare «Krebsprämie».

Der nächste Prämienschock ist bereits angekündigt. Um sechs Prozent, bei einigen Kassen sogar um zehn Prozent, sollen die Krankenkassenprämien auf nächstes Jahr aufschlagen, so die Schätzung von Comparis. Verantwortlich für die pessimistischen Prognosen ist unter anderem der starke Anstieg der Gesundheitskosten im ersten halben Jahr.

Vor diesem Hintergrund sind die Resultate einer neuen Studie brisant. In der wissenschaftlichen Zeitschrift «The Lancet» vergleichen Schweizer Forschende um die Zürcher Professorin für Gesundheitsrecht, Kerstin Noëlle Vokinger, die Preise von neu zugelassenen Krebsmedikamenten mit Nicht-Krebsmedikamenten.

«Krebsprämie» beträgt rund 28'000 Franken

Für die Arzneimittel wurden die Häufigkeit der betroffenen Erkrankung, die Mortalität und die Wirksamkeit untersucht und geschaut, wie diese Kriterien die Behandlungspreise erklären. Dabei zeigte sich, dass die Behandlungspreise von Krebsmedikamenten ungefähr dreimal höher sind als von Nicht-Krebsmedikamenten.

In Franken beträgt der Preisaufschlag – oder die «Krebsprämie», wie es Vokinger nennt – rund 28'000 Franken. Dasselbe Bild konnte die Studie in Deutschland und in den USA nachweisen.

Da es gefürchtete Erkrankungen sind, könnte das den Preis für Krebsmedikamente zusätzlich antreiben.
Autor: Kerstin Noëlle Vokinger Professorin für Gesundheitsrecht

Eine medizinische Erklärung für den Preisunterschied konnte Kerstin Vokinger nicht finden. «Das heisst, es müssen weitere Faktoren sein, die dazu führen. Möglicherweise ist Krebs so ein grosses Thema in der Gesellschaft, bei den Behörden und in der Industrie. Da es auch gefürchtete Erkrankungen sind, könnte das den Preis für Krebsmedikamente zusätzlich antreiben.»

Vokinger befürchtet, dass die hohen Preise dazu führen könnten, dass eines Tages nicht mehr alle Patientinnen und Patienten Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten erhalten.

Steigende Gesundheitskosten wegen hoher Preise

Doch die hohen Preise für Krebsmedikamente haben heute schon Konsequenzen. Jakob Passweg, Chefarzt für Hämatologie am Basler Universitätsspital, sagt, aufgrund der hohen Preise sei es ein «ständiger Kampf», dass die Krankenkassen die Behandlungskosten für Krebspatientinnen und -patienten übernehmen würden. Er nennt das Beispiel eines Medikaments gegen Leukämie, das pro Person und Monat 25'000 Franken koste.

Natürlich führen die hohen Preise auch zu steigenden Gesundheitskosten. Während die Kosten für Medikamente in den vergangenen zehn Jahren insgesamt um 51 Prozent stiegen, wuchsen die Kosten für Krebsmedikamente im selben Zeitraum um 160 Prozent.

Die Preise von neuen Krebsmedikamenten haben die Bodenhaftung verloren. Man muss Möglichkeiten finden, wie man diese Preisspirale durchbrechen kann.
Autor: Christoph Kilchenmann Chefökonom von Santésuisse

Christoph Kilchenmann, Chefökonom des Krankenkassenverbandes Santésuisse, sagt: «Das besorgt uns sehr. Die neuen Medikamente haben zum Teil ungeheuer hohe Preise. Gerade die Preise von neuen Krebsmedikamenten haben die Bodenhaftung verloren. Man muss Möglichkeiten finden, wie man diese Preisspirale durchbrechen kann.»

Der Verband der pharmazeutischen Industrie, Interpharma, sieht das Problem weniger bei Unternehmen, die zu hohe Preise verlangen, als beim heutigen Preisfestsetzungsmechanismus. Interpharma-CEO René P. Buholzer fordert eine Reform. Zentral ist für ihn, dass die neu zugelassenen Medikamente sofort eingesetzt werden können und nicht erst nach monatelangen Preisverhandlungen.

BAG begrüsst Studie, verteidigt aber geheime Preisabsprachen

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Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) nimmt die Ergebnisse der Studie mit Interesse zur Kenntnis. Die Ergebnisse würden ihre eigenen Erfahrungen bestätigen, sagt Marc Schneider, Leiter Abteilung Leistungen Krankenversicherung beim BAG. «Uns ist es gelungen, in den letzten Jahren bei Krebsmedikamenten rund 250 Millionen Franken einzusparen. Aber Sie haben recht, es braucht zusätzliche Schritte», so Schneider. Er verweist auf das Kostendämpfungspaket 2, welches in der kommenden Herbstsession in den Nationalrat kommen dürfte. Inhalt sind unter anderem Preismodelle mit Rabatten. Davon verspreche man sich weitere Einsparungen.

Allerdings gehören zu den Preismodellen auch die geheimen Preisabsprachen, bei denen die Öffentlichkeit nichts erfährt über den ausgehandelten Preis eines Medikaments. Diese sollen neu gesetzlich verankert werden, was Gesundheitsjuristin Kerstin Vokinger als äusserst heikel kritisiert. Doch das BAG verteidigt die geplante Massnahme gegenüber «10vor10»: «Die Schweiz ist keine Insel. Wir haben einen internationalen Markt. Und solange alle Länder um uns herum weiterhin diese vertraulichen Preismodelle machen, führt ein Verzicht darauf einzig dazu, dass wir höhere Preise und einen späteren Zugang zu den Arzneimitteln hätten.»

Die Unzufriedenheit über die Preisspirale bei den Krebsmedikamenten ist gross. Doch die Rezepte dagegen variieren, je nach Perspektive.

10vor10, 29.08.2023, 21:50 Uhr

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