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Bührle-Sammlung Kunsthaus Zürich und Stiftung Bührle legen Leihverträge offen

Nun ist das Kunsthaus selbst und auf eigene Kosten für die weitere Erforschung der Bührle-Sammlung zuständig.

Welche Abmachungen gelten zwischen der Zürcher Kunstgesellschaft und der Stiftung Sammlung Emil Bührle? Der bisherige Leihvertrag hätte bereits im Januar Licht ins Dunkel bringen sollen.

Die Kunstgesellschaft hatte als Trägerverein des Museums angekündigt, das bisher geheime Dokument zu veröffentlichen – ebenso wie den neuen Leihvertrag. Nun liegen beide Dokumente erstmals vor.

Was ist am neuen Leihvertrag anders?

Explizit neu ist vor allem, dass sich der neue Leihvertrag, der denjenigen von 2012 ersetzt, zu den «Richtlinien der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nazis konfisziert wurden» bekennt. Dabei handelt es sich um eine Übereinkunft von Staaten und Organisationen, um Raubkunst der Nazis zu identifizieren. Die ursprünglichen Eigentümer oder Erben sollen ausfindig gemacht werden, wobei das Ziel eine «gerechte und faire Lösung» ist. Dieses Bekenntnis fehlte im Leihvertrag von 2012 noch.

Sammlung Emil Bührle
Legende: Zentrales Element des Chipperfield-Baus: Die Sammlung von Emil Bührle (1890 – 1956) zeigt rund 170 Werke. FRANCA CANDRIAN, KUNSTHAUS ZÜRICH

Des Weiteren soll der neue Leihvertrag die Vereinbarungen bezüglich der Provenienzforschung der Bilder besser regeln. Bisher hatte die Stiftung selbst die Herkunft der Bilder untersucht und kam dabei zum Schluss, dass es sich bei den Bildern der Sammlung nicht um eine «Nazi-Sammlung» handle.

Stiftungsdirektor Lukas Gloor sagte an einer umstrittenen Medienkonferenz im Dezember, von den insgesamt 203 Werken sei die Herkunft bei 113 Bildern «lückenlos geklärt», also «unproblematisch». Weiter sagte Gloor, dass bei den restlichen 90 Werken die Herkunft zwar «nicht lückenlos geklärt» sei. Dennoch gebe es «keinen Verdacht», dass Bührle die Bilder aufgrund von Notlagen kaufen konnte.

Das brachte der Stiftung – und auch dem Kunsthaus – viel Kritik ein. Nun also soll das Kunsthaus selbst zuständig sein für die historische Verortung der Werke – ebenso wie für die Darstellung Emil Bührles als Kunstsammler, wobei neuste Forschungsergebnisse laufend einbezogen werden sollen. Zudem übernimmt es die weitere Provenienzforschung, also die Forschung, woher und unter welchen Umständen ein Werk erworben wurde. Dazu hat das Kunsthaus das gesamte Stiftungsarchiv erhalten.

Die Bührle-Debatte – kurz und knapp

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Die Sammlung von Emil Bührle ist seit Herbst 2021 im Neubau des Kunsthaus Zürich zu sehen. Umstritten ist sie, da der Waffenhändler viele seiner Werke während der NS-Zeit erworben hat. Damals waren jüdische Sammler teils gezwungen, in Notlagen ihre Bilder zu verkaufen.

Experten prüfen die Provenienzforschung neu

Stiftung und Kunsthaus wehren sich gegen die Vorwürfe von Raubkunst und Intransparenz, zuletzt in einer Medienkonferenz im Dezember . Die Herkunft sei bei den meisten Werken lückenlos geklärt, bei den restlichen bestehe kein Verdacht auf Raubkunst. Eine Expertenkommission soll die Provenienzforschung nun überprüfen.

International bekannte Künstlerin will Bilder zurück

Neben der Kritik gab es auch erste Reaktionen von Künstlern: Die jüdische Malerin Miriam Cahn kündigte an, ihre vom Kunsthaus Zürich erworbenen Werke zurückkaufen zu wollen.

«Grössere kuratorische Freiheiten»

Ausserdem neu ist, dass das Kunsthaus «grössere kuratorische Freiheiten» erhält, wie in der Medienmitteilung steht: Der zuständige Kurator sowie die Sammlung Emil Bührle können in den Kunsthaus-Sälen, wo die Bilder der Bührle-Sammlung zu sehen sind, zusätzliche Werke anderen Ursprungs zeigen.

Wieso es einen neuen Leihvertrag gibt

Zum einen war unklar, ob der Erweiterungsbau tatsächlich gebaut würde, was inzwischen der Fall ist. Zudem gebe der bisherige Leihvertrag aus dem Jahr 2012 die Perspektive der zwei Kinder Bührles auf dessen Vermächtnis wieder. Heute sei jedoch eine «pragmatische» Generation von Stiftungsräten im Amt, so die Mitteilung. Diese anerkennten die «musealen Ansprüche eines Vermittlungskonzepts». Die neue Vereinbarung trage dem Rechnung.

Neue Provenienzforschung soll Licht ins Dunkel bringen

Viele Werke aus der Sammlung des Waffenhändlers Bührle stammen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Es besteht der Verdacht, dass der reiche Kunsthändler die Bilder von jüdischen Besitzerinnen und Besitzern gekauft hat, welche sie aufgrund ihrer Verfolgung in Not verkaufen mussten. Emil Georg Bührle war durch Waffengeschäfte während und nach dem Zweiten Weltkrieg zum damals reichsten Mann der Schweiz geworden.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 24.02.2022, 12:03 Uhr ; 

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