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Bundesgericht Urteil zum Rentenalter: Ausser Spesen nichts gewesen

Muss die Abstimmung über das höhere Rentenalter der Frauen wiederholt werden? Nein, sagt heute das Bundesgericht. Hat der Bundesrat mit den Angaben zu den Prognosen der AHV-Finanzen einen krassen Fehler gemacht? Diese Frage lässt das Gericht offen. Für die Klägerinnen eine Niederlage auf ganzer Linie.

Das Urteil ist keine Überraschung.

Rechtssicherheit als Begründung

Zwei Punkte stehen bei der Begründung des Gerichts im Vordergrund: Erstens geht es um die Rechtssicherheit, oder einfacher ausgedrückt, dass ein Teil der Reform bereits in Kraft ist. Zweitens um die Tatsache, dass es sich bei den AHV-Zahlen um Prognosen handelte.

Die höhere Mehrwertsteuer zur Finanzierung der AHV gilt seit Anfang dieses Jahres. Eine Rückzahlung dieser Beträge wäre vielleicht für Firmen noch möglich, bei Privatpersonen aber kaum. Wer hebt schon alle Kassenzettel eines Jahres auf?

Der zweite Teil der Reform, das Rentenalter für Frauen, das über die nächsten Jahre schrittweise auf 65 erhöht wird, tritt erst nächstes Jahr in Kraft. Doch auch hier haben sich betroffene Frauen und Firmen schon darauf vorbereitet. Und: Laut Bundesgericht wäre es nicht möglich, nur die Abstimmung über das höhere Rentenalter zu annullieren, da beide Vorlagen miteinander verknüpft waren.

Zahlen stellten sich 2024 als falsch heraus

Bei der Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe der damaligen CVP war das anders: Die Vorlage war noch nicht in Kraft, die Annullierung änderte nichts im Alltag. Es war das erste Mal, dass das Bundesgericht eine nationale Abstimmung für ungültig erklärt hat. Auch hier ging es um falsche Zahlen im Abstimmungsbüchlein.

Bei den Zahlen, die der Bundesrat im AHV-Abstimmungskampf verwendet hatte, handelte es sich um Prognosen, nicht um Fakten. So die Argumentation des Bundesgerichts. Auch hier gibt es einen Unterschied zur CVP-Initiative. Dort ging es um Fakten, nämlich um Berechnungen, wie viele Paare von der Heiratsstrafe betroffen sind. Bei der AHV ging es um Prognosen, wie es um die Finanzen der AHV in Zukunft steht. Diese Zahlen stellten sich dieses Jahr als falsch heraus.

Ausser Spesen nichts gewesen

Das Bundesgericht schreibt heute, dass Prognosen unsicher seien und sich die Stimmbürger dessen bewusst seien. Fraglich ist aber, ob die Prognosen als solche deklariert waren. Im Abstimmungsbüchlein war lediglich eine Fussnote mit dem Hinweis, dass es sich um Berechnungen des Bundesamts für Sozialversicherungen handle.

Hier waren sich die Richterinnen und Richter nicht einig: Auf der einen Seite wurde argumentiert, die Zahlen seien klar als Prognosen erkennbar gewesen. Auf der anderen Seite wurde kritisiert, das sei zu wenig deutlich gewesen. Das Bundesgericht entschied sich, diese Frage offenzulassen. Denn: Die Antwort auf diese Frage hätte keinen Einfluss auf seinen Entscheid, die Abstimmung nicht zu annullieren.

Für die Klägerinnen hätte es aber einen Unterschied gemacht. Hätte das Bundesgericht einen krassen Fehler festgestellt, hätten sie zumindest etwas Genugtuung gehabt. So bleiben ihnen nur die Spesen für die Reise nach Lausanne und die Gerichtskosten.

Mirjam Spreiter

Bundeshauskorrespondentin

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Mirjam Spreiter ist Bundeshauskorrespondentin bei SRF. Zuvor war sie Korrespondentin in den Regionen Bern und Freiburg sowie Redaktorin und Reporterin der «Tagesschau». Sie hat an den Universitäten Freiburg, Bern und Berlin Religionswissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Zeitgeschichte studiert.

SRF 4 News, 12.12.2024, 17 Uhr

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