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Renteninitiative: die heilige Zahl 65
Aus Echo der Zeit vom 30.01.2024. Bild: KEYSTONE/Christian Beutler
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Die magische Zahl 65 Arbeiten bis 65 – woher kommt dieses Rentenalter?

Schon bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 wurde das Rentenalter auf 65 Jahre festgelegt. Die Zahl blieb in der Schweiz jahrzehntelang gleich und kommt nicht von ungefähr.

Zumindest für die Männer hat sich das Rentenalter seit seiner Einführung vor 80 Jahren nicht verändert. Vom Himmel gefallen sei die Zahl 65 damals aber nicht, sagt Christian Koller, Direktor des Schweizerischen Sozialarchivs. Vielmehr sei sie zu jener Zeit international im Trend gelegen.

So habe Deutschland bereits Ende der 1880er-Jahre eine Rentenversicherung eingeführt. Das Alter 70 wurde dann Anfang des 20. Jahrhunderts auf 65 heruntergesetzt. Ähnlich war es in Grossbritannien: Vor dem Ersten Weltkrieg lag die Grenze bei 70, bis man auf 65 heruntergegangen ist.

Was ist ein Stück weit zumutbar? Wie lange können Menschen arbeiten?
Autor: Christian Koller Direktor des Schweizerischen Sozialarchivs

Der edle Gedanke, den Erwerbstätigen einen geruhsamen Lebensabend zu ermöglichen, habe bei der Festlegung des Rentenalters allerdings keine Rolle gespielt. Viel eher sei die Frage im Vordergrund gestanden, wie lange eine Arbeitskraft für die Wirtschaft produktiv sei. «Was ist ein Stück weit zumutbar? Wie lange können Menschen arbeiten?», erklärt Christian Koller.

Ein älterer Taxifahrer schliesst die Tür seines Taxis am Bahnhof Luzern.
Legende: «Es ging weniger darum, wie viele Jahre sie noch leben, nachdem sie pensioniert sind. Sondern: Was ist ein Stück weit auch zumutbar? Wie lange können Menschen arbeiten?», sagt Christian Koller. Keystone/Gaetan Bally

Und man kam zum Schluss: Effizient arbeiten könne der Mensch bis ungefähr 65. In der Folge wurde die AHV in der Schweiz dann mehrfach reformiert. Eine Erhöhung des Rentenalters sei zunächst nie ein Thema gewesen, sagt Martin Lengwiler, Geschichtsprofessor an der Universität Basel.

Bei der AHV-Gründung war die AHV eine sehr mickrige Versicherung.
Autor: Martin Lengwiler Geschichtsprofessor an der Universität Basel

Bei diesen Reformen sei es stets um einen Ausbau der AHV gegangen. «Bei der AHV-Gründung war die AHV eine sehr mickrige Versicherung. Sie hat sehr kleine Renten unter dem Existenzminimum bezahlt. Das war bis Ende der 1970er-Jahre ein sozialpolitisches Problem. In diesem Zusammenhang das Rentenalter heraufzusetzen, war gar kein Thema. Wenn, dann ging es darum, das Rentenalter herabzusetzen. Und bei den Frauen hat man das ja auch gemacht.»

Herabsetzung des Frauenrentenalters in zwei Schritten

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Legende: Aus zwei Gründen wurde das Rentenalter für Frauen heruntergesetzt: Sie galt als die schwächere Arbeitskraft und durch das konservative Familienbild herrschte ein Ungleichgewicht. Keystone/Gaetan Bally

Das Frauenrentenalter wurde in zwei Schritten heruntergesetzt, zunächst auf 63, dann auf 62 Jahre. Ausschlaggebend hierfür waren vor allem zwei Motive. Einerseits ein ziemlich simples Argument: «Die Frau ist die schwächere Arbeitskraft, also muss sie geschont werden», erklärt Geschichtsprofessor Martin Lengwiler.

Zweitens berücksichtigte man die Tatsache, dass sich das Sozialsystem zu jener Zeit an einem konservativen Familienbild orientierte. Dieses sah den Mann als Hauptverdiener und Ernährer und die Frau als dessen «Anhängsel», das auch bei der Sozialversicherung stark von ihm abhängig war.

«Das hat Ungleichgewichte in der AHV produziert. Vor allem, wenn Ehen geschieden wurden oder wenn ein Ehemann verstorben ist. Dann war die Frauenrente plötzlich geringer, weil sie sozusagen nicht mehr nach dem Erwerb des Mannes berechnet wurde», führt Lengwiler aus. Diese Ungleichgewichte sollten durch ein tieferes Frauenrentenalter kompensiert werden.

Abgesehen von diesen Anpassungen sei das Rentenalter in der Schweiz jahrzehntelang gleich geblieben, was im internationalen Vergleich aussergewöhnlich sei, sagt Christian Koller.

«Die Debatte ist immer wieder aufgekommen, natürlich auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung. Quasi: Je länger die Leute leben, und aber immer noch zum gleichen Zeitpunkt in Rente gehen, desto mehr kostet das. Es ist aber nie eine generelle Anhebung des Rentenalters in eine Vorlage gepackt worden. Denn das hätte an der Urne absehbar einen schweren Stand gehabt.»

Diskussion um Rentenalter steht wieder im Vordergrund

In jüngster Zeit gab jedoch gerade der Aspekt, wie die AHV künftig finanziert werden soll, der Debatte um das Rentenalter wieder Aufschwung. Die Lebenserwartung in der Schweiz steigt. Der zunehmenden Zahl an Rentnerinnen und Rentnern, welche AHV beziehen, stehen immer weniger Erwerbstätige gegenüber, die in die AHV einzahlen.

Schon bei der Angleichung des Frauenrentenalters auf 65 im Jahr 2022 spielte das Argument der Finanzierung eine wichtige Rolle. Genauso wie jetzt bei der Renteninitiative der Jungfreisinnigen, welche das Rentenalter für beide Geschlechter erhöhen will. Mit dem Unterschied, dass dies nun der erstmalige Versuch ist, ein Rentenalter von über 65 festzulegen. Gelänge dies, wäre das für die Schweiz historisch.

Echo der Zeit, 30.01.2024, 18 Uhr

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