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Wilde Bundesratskandidatur Politologe: «Blochers Aussage hat hohe Wellen geschlagen»

Christoph Blocher bricht ein Tabu. Er hält eine wilde Kandidatur für die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset für legitim. Die Zweierkandidatur der SP gefällt Blocher nicht; zu wenig Lebenserfahrung und einen zu geringen Leistungsausweis hätten die beiden Kandidaten Beat Jans und Jon Pult. Bürgerliche Parteien sollen deshalb einen wilden Kandidaten wählen, sagte der SVP-Vordenker in «Tele Blocher».

Politologe Michael Hermann erklärt im Interview, wie viel Macht Blochers Äusserungen noch haben.

Michael Hermann

Politologe

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Michael Hermann ist Politikgeograf und -wissenschaftler. Zudem leitet er das Forschungsinstitut Sotomo.

SRF News: Wie viel Einfluss hat Christoph Blocher noch in der SVP?

Michael Hermann: Offensichtlich hat er immer noch grossen Einfluss. Seine Aussage hat hohe Wellen geschlagen. Ich bezweifle aber, dass er immer noch so grossen Einfluss in die Bundesversammlung hat. Denn die SVP-Fraktion hat eine eigene Agenda. Diese hat eigene Interessen – und die sind nicht immer die gleichen wie die von Christoph Blocher.

Wieso macht Blocher mit einer solchen Äusserung auf sich aufmerksam?

Aus Zürcher Sicht hat die Causa Jositsch auch bei ihm Spuren hinterlassen. Jositsch ist beliebt und jemand, der nicht immer auf der Linie der SP ist. Diese ultimative Art, wie die SP vor einem Jahr ein Frauenticket forderte, hat auf bürgerlicher Seite viel Unverständnis ausgelöst. Ausserdem geht es am 13. Dezember nicht nur um die Wahl eines SP-Kandidaten, sondern auch um eine Gesamterneuerungswahl: Mit solchen Aussagen soll die SP unter Druck gesetzt werden, damit sie es weniger wagen wird, den Sitz von Ignazio Cassis anzugreifen – mit einer Unterstützung des grünen Kandidaten oder etwa eines Kandidaten der Mitte. Beispielsweise Herrn Pfister.

Einige SVP-Fraktionsmitglieder haben bereits angekündigt, nicht für die Kandidaten auf dem offiziellen SP-Ticket zu stimmen. Wie viele könnten nun nachziehen und Blochers Ruf folgen?

Vor einem Jahr gab es schon viele Stimmen für Daniel Jositsch. Das kann sich gut wiederholen. Es kommt aber auch noch ein bisschen darauf an, wie die Wahlgänge vorher laufen.

Es könnte auch Roger Nordmann sein.

Als wilder Kandidat wird oft Daniel Jositsch erwähnt. Hat wirklich er die besten Chancen – oder welche möglichen wilden Kandidaten gibt es noch?

Alle gehen davon aus, dass Jositsch derjenige ist, der von der SVP allenfalls unterstützt würde. Es könnte auch Roger Nordmann sein. Er ist ein Romand. Das könnte aus Sicht der SVP strategisch interessant sein, da die Partei bald den Sitz von Guy Parmelin ersetzen muss. Die SVP hat in der Deutschschweiz viele potenzielle Kandidierende und könnte deshalb ein Interesse haben, dass die SP zwei Romandie-Sitze hat, sodass die SVP wieder zwei Deutschschweizer haben könnte. Ausserdem wäre eine Unterstützung von Jositsch ein Schlag ins Gesicht der SP. Die Fraktion hat ihm am Anfang nur vier Stimmen gegeben. Roger Nordmann dagegen hat mit 22 Stimmen relativ gut abgeschnitten. Wenn man ihn wählen würde, könnte die SP weniger dagegen sagen, als wenn es Jositsch wäre.

Wilde Kandidaturen sind also möglich. Wie wahrscheinlich ist es, dass so jemand effektiv gewählt würde?

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass ein offizieller Kandidat gewählt wird. Die verschiedenen Bundesratsparteien wollen ihre eigenen Sitze absichern. Das kann man am ehesten, wenn man möglichst wenig böses Blut schafft. Gerade auch die SVP will ihre eigenen Kandidaten durchbringen. Und wenn hier mal der Damm gebrochen würde, wenn jemand anderes gewählt wird, dann ist das Risiko auch viel grösser, dass dies dann auch der SVP passieren könnte.

Das Gespräch führte Yves Kilchör.

SRF 4 News, 04.12.2023, 14:30 Uhr ; 

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