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Cannabis-Studie startet 180 Baslerinnen und Basler kiffen ab heute legal

Für einen Versuch verkaufen neun Basler Apotheken Cannabis. In einem halben Jahr wird die Pilotstudie ausgeweitet.

Bio-Cannabis statt Schwarzmarkt-Kraut und keine Angst mehr vor der Polizei: Die Basler Pilotstudie beschert den Teilnehmenden ein entspannteres Leben. Neun Basler Apotheken sind zu amtlich bewilligten Dealern geworden. Dort können vorerst rund 180 Kiffende mit einem Ausweis für diese Studie und ihrer ID Cannabis kaufen.

Sechs Sorten – Mengen limitiert

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Im Rahmen der Studie im Kanton Basel-Stadt werden sechs verschiedene Cannabis-Sorten angeboten, die sich nach ihrem Gehalt des berauschenden Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) unterscheiden. Es handelt sich um zwei Haschisch- und vier Cannabisblütenprodukte der Schweizer Herstellerin Pure Production. Entsprechend sind die Preise abgestuft von 40 bis 55 Franken pro Fünf-Gramm-Packung. Kaufen dürfen die Studien-Teilnehmenden höchstens zwei Packungen aufs Mal sowie 10 Gramm reines THC pro Monat. Der Konsum ist für die Studie nur zu Hause erlaubt und Weitergeben verboten.

In einem halben Jahr werden weitere knapp 200 Cannabis-Konsumierende dazu stossen. Diese Verzögerung soll einen wissenschaftlichen Vergleich zu Gesundheit und Konsumverhalten ermöglichen zwischen jenen Teilnehmenden, die kontrolliert kiffen und jenen, die sich weiter auf dem Schwarzmarkt versorgen.

Kiffen zur Entspannung

Wenn er früher Cannabis bei Kollegen gekauft habe, habe er nie gewusst, ob es schimmlig sei oder Keime enthalte, sagt Daniel, einer der Teilnehmenden – seinen richtigen Namen möchte er nicht öffentlich nennen. Die Studie gebe ihm daher mehr Sicherheit.

Joint
Legende: Cannabis-Zigaretten werden von Hand gedreht. Keystone / Christian Beutler

Der 30-Jährige hatte nach eigenen Angaben früher auch andere Drogen ausprobiert; nur beim Kiffen sei er geblieben. Er rauche, wenn er gestresst nach Hause komme. «Dann rauche ich einen Joint, und das holt mich herunter. Es entspannt mich einfach – das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich es tue.»

Ich rauche einen Joint, und das holt mich herunter.
Autor: «Daniel» Teilnehmer an der Basler Cannabis-Studie

Interesse an einer Teilnahme angemeldet hatten 560 Kiffende, aber der Versuch ist begrenzt auf 374 Kantonsbewohnerinnen und Kantonsbewohner. Zugelassen sind nur Volljährige, die bereits regelmässig Cannabis konsumieren; dies wird mittels Urin-Tests auch überprüft. Zudem musste man ärztliche Abklärungen bestehen, auch die psychische Verfassung muss stimmen: Er sei unter anderem nach Suizidgedanken gefragt worden, erinnert sich Daniel. Dies sei sinnvoll, weil ein Rausch Gemütszustände verstärken könne.

Cannabis-Produkte
Legende: Diese sechs Cannabis-Produkte sind bei der Basler Studie im Verkauf. zvg / GD BS

Die Basler Cannabis-Studie ist auf zweieinhalb Jahre angelegt. Die Teilnehmenden werden alle zwei Monate befragt, wie es ihnen ergeht – wer nicht antwortet, fliegt raus. Gemäss Angaben des Kantons nehmen 302 Männer, 66 Frauen und sechs non-binäre Personen zwischen 18 und 76 Jahren teil. Das Durchschnittsalter liegt bei 36 Jahren.

Pflanzen entsprachen zunächst nicht den Bio-Vorgaben

Weil Cannabis in der Schweiz verboten ist, war grünes Licht vom Bund nötig für den Versuch in Basel. Eigentlich hätte diese Studie schon Mitte September 2022 losgehen sollen, doch dann brachten unerwünschte Inhaltsstoffe eine Verzögerung: Wegen Bodenverunreinigungen entsprachen die ersten geernteten Pflanzen nicht den Bio-Vorgaben.

Legal – illegal – international – experimental

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«Der Konsum von Cannabis ist in der Schweizer Bevölkerung verbreitet»: Der Bundesrat hält in einem Bericht zur Drogenpolitik von 2021 fest, dass 220'000 Personen es regelmässig konsumierten. Kiffen wird jedoch verfolgt; gut die Hälfte der Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG) betrafen im Jahr 2019 Cannabiskonsum. Jährlich werden schweizweit für den Polizei-, Justiz- und Strafvollzug in Sachen Cannabis 119 Millionen Franken aufgewendet. Und die Kantone gingen beim Vollzug sehr unterschiedlich vor.

Der Bundesrat zitiert eine Sucht-Expertenkommission (EKSF) mit der Aussage, dass das Betäubungsmittelverbot erhebliche gesundheitliche und sicherheitspolitische Kollateralschäden verursache. Selber schreibt er von einer «unbefriedigenden Situation im Bereich Cannabis» und verweist auf Legalisierungs-Bestrebungen in verschiedenen Ländern weltweit. «Eine neue drogenpolitische Dynamik» gebracht hätten 12 US-Bundesstaaten, die den Genusskonsum seit 2012 erlaubten; später folgten Uruguay und Kanada.

Das in Kanada praktizierte «Public Health»-Modell des Umgangs mit Cannabis, bei dem Gesundheits- und Jugendschutz im Zentrum stünden, betrachtet der Bundesrat für die Schweiz als interessant. Ein weiteres Ziel dieses Modells sei die «Entlastung des Strafvollzugssystems».

Eine Revision des Schweizer BetmG vom Mai 2021 hat wissenschaftliche Pilotversuche zur Cannabis-Abgabe unter strikten Auflagen möglich gemacht. Der entsprechende «Experimentierartikel» ist jedoch auf zehn Jahre beschränkt.

An dieser landesweit ersten zugelassenen Studie beteiligt sind das Gesundheitsdepartement Basel-Stadt, die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, die Psychiatrischen Dienste Aargau und die Universität Basel. Sie soll wissenschaftliche Erkenntnisse liefern als Diskussionsgrundlage für eine künftige verantwortungsvolle Cannabispolitik in der Schweiz.

Karte
Legende: Cannabis-Studien sind in der Hälfte der Kantone in der Pipeline. SRF

Gemäss SRF-Recherchen haben 13 weitere Studien in anderen Kantonen ein Gesuch beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) eingereicht. Deren Ansätze unterscheiden sich, etwa beim Verkauf über einen speziellen Verein, in Apotheken oder online. Manche der Studien muss auch eine Ethikkommission absegnen.

Wir sind da sicher wieder einmal Pioniere.
Autor: Adrian Gschwend Leiter Sektion Politische Grundlagen und Vollzug des BAG

Diese Schweizer Forschung werde international mit Interesse verfolgt, sagt Adrian Gschwend vom BAG: «Wir sind da sicher wieder einmal Pioniere.» Er erinnert an die Vorreiterrolle beim Heroin, wo es hierzulande praktisch keine offene Szene mehr gibt.

Regionaljournal Basel, 30.1.2023, 17:30 Uhr ; 

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