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Containersiedlung in Bern Die Pionierunterkunft ist weg

Das riesige Containerdorf für Flüchtlinge in Bern ist geschlossen und wird zurückgebaut. Nie war es ausgelastet. Gekostet hat es gegen 20 Millionen. Der Kanton Bern spricht von einem Erfolg.

April 2022: Wegen des Krieges in der Ukraine flüchten viele Menschen aus dem Land. Es treffen täglich alleine im Kanton Bern ungefähr 100 Personen ein. Der Kanton befürchtet einen Mangel an Unterkünften für die Geflüchteten. Er baut in kurzer Zeit ein Containerdorf für rund 1000 Personen. Der Bau kostet 12 Millionen Franken. Jeden Monat kommen rund 175'000 Franken für den Betrieb dazu. Die gesamten Kosten während der drei Jahre seitdem dürften somit gegen 20 Millionen Franken betragen.

Das Containerdorf in Bern verschwindet

Juli 2022: 450 Container mit 1000 Betten: Auf dem Viererfeld in Bern steht die grösste Asylunterkunft der Schweiz. Sie ist für kurzfristige Aufenthalte gedacht. Für den Kanton Bern ist sie zudem eine Reserve , je nach Entwicklung des Krieges in der Ukraine. Es ist von einem Betrieb für die nächsten zwei bis vier Jahre die Rede.

Das Containerdorf gilt als Pionierprojekt mit Vorbildcharakter. Doch es gibt auch massive Kritik. Fachleute bemängeln die kasernenartige Architektur, es ist von Kargheit und Tristesse die Rede. Ein zweites solches Dorf ist zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz nicht machbar. «Alle verfügbaren Container standen auf dem Viererfeld in Bern», erklärt Gundekar Giebel, Sprecher der bernischen Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion GSI.

Die Dörflimutter Francesca Chukwunyere

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Portrait einer Frau.
Legende: Francesca Chukwunyere führte das Containerdorf während den drei Jahren. SRF

Francesca Chukwunyere – Migrations- und Integrationsfachfrau – leitete das Containerdorf für die Heilsarmee während der gesamten drei Jahre. Sie habe «das Ding geführt», sagt sie.

Ich hatte einen Bausatz mit Containern und den Auftrag: «Mach das Beste für die Menschen draus.» Das habe sie versucht. In einer Unterkunft von nie dagewesener Grösse. «Wir hatten keine Erfahrungen, die Zusammensetzung der Flüchtlinge war neu: Kinder, Frauen, Alte hauptsächlich.»

Der Vorteil am Containerdorf war, alle wohnten gleich. «Ich konnte dem Professor dasselbe anbieten wie der Hausfrau.» Das sei demokratisch gewesen, sagt Chukwunyere.

Der Betrieb sei eigentlich gut verlaufen über die drei Jahre. Doch sie seien auch an Grenzen gekommen. «Ich musste einen Mann, der sich daneben benommen hatte, aus der Unterkunft weisen. Dagegen demonstrierten die Bewohnerinnen und Bewohner.» Sie habe hinstehen und gleichzeitig Gespür zeigen müssen.

Im Laufe der drei Jahre veränderte sich die Zusammensetzung der Menschen im Containerdorf. Da sie für kurzzeitige Aufenthalte gedacht war und junge, gebildete Menschen aus der Ukraine eher rasch andere Lösungen fanden, überalterte sich die Unterkunft zunehmend.

Ob das Dorf deshalb über eine lange Zeit funktioniert hätte, «da bin ich nicht sicher», sagt Francesca Chukwunyere.

Eine einzige Frau blieb die ganzen drei Jahre im Containerdorf. «Die wollte nicht weg», sagt die Leiterin der Unterkunft.

Juli 2025: Das Containerdorf wird geschlossen. In den vergangenen drei Jahren wurden in der Containersiedlung über 2300 Geflüchtete und Asylsuchende beherbergt, wie der Kanton Bern mitteilt. Die Unterkunft war während ihrer gesamten Zeit nie komplett ausgelastet. Es lebten auch nie mehr als rund 600 Menschen gleichzeitig in dieser Unterkunft. Zu Beginn wohnten ausschliesslich Ukrainerinnen und Ukrainer in den Containern. Später auch Geflüchtete aus anderen Ländern.

September 2025: Der Rückbau des Containerdorfs ist bereits weit fortgeschritten. Ende Jahr gibt der Kanton Bern das Land zurück an die Stadt Bern. Von den 450 Containern steht nur noch ein kleiner Teil auf dem grossen Feld. «Ein Teil der Container war vermietet, die sind zurück bei den Eigentümern, die anderen wurden von den Lieferanten zurückgekauft», erklärt Gundekar Giebel von der GSI.

Staatssekretariat für Migration will Betrieb nicht kommentieren

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Das Staatssekretariat für Migration SEM, welches den Kantonen die Flüchtlinge zuweist, will den Betrieb dieser riesigen Unterkunft nicht kommentieren. Das SEM schreibt nur, dass Container eine von mehreren Optionen seien, wenn es um den Aufbau temporärer Unterbringungsstrukturen gehe. Wie die Kantone die ihnen zugewiesenen Menschen unterbringen, sei diesen überlassen. Das SEM selbst plante 2023 auf Armeearealen temporäre Containersiedlungen für 3000 Flüchtlinge aufzustellen. Die Politik lehnte ab, das Projekt scheiterte.

Dezember 2025: Dort wo das grösste Flüchtlingsdorf der Schweiz stand, soll nun wieder ein leeres Feld stehen. Der Kanton Bern gibt das Gelände zurück an die Stadt Bern. Die Bilanz: Gundekar Giebel vonseiten der GSI sagt: «Ob es ich gelohnt hat, all der Aufwand, ist nicht die Frage.» Man habe schnell handeln müssen und eine wichtige Lehre sei, dass alle Beteiligten die Dringlichkeit einer solchen Situation erkennen müssten. Das Projekt liegt nun in einer Schublade. «Wir könnte ein solches Dorf jederzeit wieder aus dem Boden stampfen», so Giebel vom Kanton Bern. Es sei das Richtige zur richtigen Zeit gewesen.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 17.9.2025, 12:03 Uhr;liea

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