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Corona-Genesene erzählen Was ein milder Krankheitsverlauf bedeuten kann

In der Schweiz wurden bisher rund 33'500 Personen positiv auf Covid-19 getestet. Das BAG geht davon aus, dass rund 30'000 davon genesen sind und die grosse Mehrheit der Infizierten nur leichte Symptome zeigte.

Doch auch ein milder Krankheitsverlauf ohne Spitalaufenthalt kann zu unangenehmen Nachwirkungen führen. Sechs Genesene, die zu Beginn der Corona-Pandemie erkrankt sind, schildern die Krankheit als unberechenbar und kämpfen manchmal noch mit deren Folgen.

Eva Schaffner (51): «Ich habe noch immer Druck auf der Lunge»

Eine Frau lächelt in die Kamera.
Legende: Eva Schaffner sagt, sie sei wegen des Sauerstoffmangels ständig müde. zvg

Ich war diese Woche beim Arzt, weil mir das Atmen auch vier Monate nach der Coronainfektion noch immer schwerfällt. Es fühlt sich an, als ob die Luft dünner wird und ich Druck auf der Lunge habe. Beim Treppensteigen und beim Sport brauche ich viele Pausen. Da mir Sauerstoff fehlt, bin ich ständig müde und antriebslos. Bald werde ich für weitere Abklärungen einen Lungenspezialisten aufsuchen.

Alles schmeckte nach Karton.
Autor: Eva Schaffner hat noch immer Atemprobleme

Angesteckt hat mich mein Mann Dieter Wicki, der als Leiter der Aargauer Task-Force Corona hilft, die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen. Ich war drei Wochen krank, verbrachte eine mit Fieber, Husten und Geschmacksverlust im Bett. Ich verlor die Freude am Essen, denn alles schmeckte nach Karton.

Das wünsche ich niemandem. Sich jetzt an die Regeln zu halten und im ÖV eine Maske zu tragen, ist darum ein Zeichen der Solidarität. Wir alle tragen eine Verantwortung, um dieses Virus einzudämmen.

Lorenz Schmid (55): «Ich fühle mich wieder topfit»

Ein Mann lächelt in die Kamera.
Legende: Lorenz Schmid hatte nach vier Tagen praktisch keine Symptome mehr. zvg

Mitte März bemerkte ich ein leichtes Hüsteln und Schüttelfrost. Unter normalen Umständen hätte mich das nicht gross gestört, doch wegen Corona ging ich zum Arzt. Als CVP-Kantonsrat und oberster Zürcher Apotheker komme ich mit vielen Leuten in Kontakt und wollte Gewissheit.

Bereits wenige Stunden nach dem positiven Test lag ich mit 39 Grad Fieber im Bett. Ich fühlte mich schlapp, schwitzte stark und hatte Muskelschmerzen. Nach vier Tagen war ich praktisch wieder symptomfrei. Doch zwei Wochen lang begleitete mich eine bleierne Müdigkeit. Heute fühle ich mich wieder topfit und arbeite wie gewohnt in der Apotheke.

Meine Frau, die ehemalige CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer, hat jedoch noch immer zu kämpfen. Sie hatte im März eine Woche lang intensive Atembeschwerden. Heute ist sie gesund, doch der Geschmackssinn fehlt ihr auch vier Monate nach der Infektion weiterhin.

Jakob Bächtold (44): «Ich rate allen, vorsichtig zu bleiben»

Ein Mann sitzt an einem Tisch.
Legende: Am Stubentisch hat Jakob Bächtold mit seiner Familie während der Quarantäne unzählige Ingwer-Tees getrunken. zvg

Meine Frau, die drei Töchter und ich bekamen Mitte März grippeähnliche Symptome. Plötzlich kamen Magendarm-Beschwerden dazu und meine Frau schmeckte nichts mehr. Das war unheimlich. Doch als ich mich testen lassen wollte, schickte mich der Arzt nach Hause, weil damals fast nur Risikopatienten getestet wurden.

Als meine Frau zur Nachbehandlung einer Operation eine Praxis aufsuchte, wurde sie positiv getestet. An diesem Tag meldete der Kanton Zürich knapp 1600 bestätigte Coronafälle. Unser Beispiel zeigt, wie hoch die Dunkelziffer ist. Meine Frau taucht in der Statistik auf, die drei Kinder und ich nicht.

Eine so hartnäckige Krankheit möchte ich nicht noch einmal erleben.
Autor: Jakob Bächtold litt Mitte März an Corona

Heute geht es uns gut, auch wenn immer wieder «Nachwehen» auftauchen. Der Geschmackssinn meiner Frau kam zurück, der Geruchssinn aber noch nicht ganz. Unsere Neunjährige entwickelte nach Corona eine Bronchitis.

Auch wenn niemand von uns hospitalisiert werden musste: Eine so hartnäckige und unberechenbare Krankheit möchte ich nicht noch einmal erleben. Ich rate allen, vorsichtig zu bleiben und wo nötig eine Maske zu tragen.

Wie gross sind die Folgeschäden?

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Christian von Burg, SRF-Wissenschaft: «Patienten, die schwer erkrankt sind, klagen noch nach Monaten über teils seltsame Symptome. Eine Untersuchung in einer Klinik in Rom hat ergeben, dass 13 Prozent der Patienten zwei Monate nach ihrer Entlassung aus dem Spital keine Symptome mehr hatten. 32 Prozent wurden von ein bis zwei Beschwerden geplagt, 55 Prozent litten sogar unter mindestens drei Beschwerden: Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit, sowie Brust- und Gelenkschmerzen. Aber auch Vernarbungen in der Lunge sind ein möglicher Folgeschaden bei Personen, die schwer erkrankt sind.

Auch Personen, die keinen schweren Verlauf der Krankheit hatten, sind von Folgeschäden betroffen. Einige spüren auch nach Ablauf der Krankheit noch Symptome. Der getrübte Geruchs- oder Geschmackssinn zum Beispiel, eines der besonders frühen und typischen Coronavirus-Symptome, kann gut vier Wochen oder länger anhalten. Virale Erkrankungen können Langzeitfolgen haben, das ist bekannt. Wie gross das Problem bei Covid-19 ist, zeichnet sich erst jetzt langsam ab.»

Christina Krebs (61): «Bis heute leide ich an Müdigkeit und Schwindel»

Christina Krebs.
Legende: Christina Krebs klagt über abrupte Schwindelanfälle. zvg

Für Menschen, die Covid-19 immer noch nicht ernst nehmen, habe ich wenig Verständnis. Denn etwas Vergleichbares habe ich noch nie erlebt. Drei Wochen lang fühlte ich mich hundeelend.

Neben Symptomen wie Fieber, Hals- und Gliederschmerzen, die im März schon als Corona-tyisch galten, kamen bei mir Magendarm-Beschwerden, Kopfweh und abrupte Schwindelanfälle hinzu. Ich verlor kurzzeitig den Geschmackssinn und die Rheuma-Schmerzen in meinen Händen wurden stärker. Wegen dieser untypischen Symptome und weil ich keine Risikopatientin bin, wurde ich im März nicht getestet.

Bis heute leide ich unter starker Müdigkeit sowie Gleichgewichtsstörungen und bewege mich manchmal, als ob ich betrunken wäre. Ich traue mich noch nicht, wieder selber Auto zu fahren, aus Angst, ich könnte wegen eines Schwindelanfalls die Kontrolle verlieren.

Anita Egger (55): «Psychisch ist es ein Auf und Ab»

Eine Frau lächelt in die Kamera.
Legende: Für Anita Egger fühlte sich Corona ähnlich wie eine Grippe an. zvg

Meine Partnerin und ich haben das Virus wahrscheinlich während den Skiferien in einem Hotel in Österreich aufgelesen. Am 15. März tauchten Husten, Müdigkeit und Atembeschwerden auf. Fieber hatte ich nicht, dafür Untertemperatur von bis zu 34,5 Grad. Es fühlte sich wie eine Grippe an, die Symptome traten in Wellen auf.

Da ich wegen meines vor Jahren operierten Schilddrüsenkrebs zur Risikogruppe gehöre, blieb ich 19 Tage in Quarantäne. Schon ein kurzer Spaziergang zwei Wochen nach der Infektion erschöpfte mich wahnsinnig.

Heute geht es mir körperlich wieder gut, psychisch ist es aber ein grosses Auf und Ab. Ich habe kurz vor der Coronakrise meinen Job im Aussendienst verloren und auch die lange Isolationszeit setzt mir immer noch zu. Meine Partnerin, die schwerere Symptome als ich aufwies, verlor kurzzeitig den Geschmackssinn.

Stefan Stäger (28): «Ob man immun wird, ist nie ganz gewiss»

Ein Mann lächelt in die Kamera.
Legende: Stefan Stäger hatte einige Corona-Symptome, seine Freundin gar keine. zvg

Ich bin nur selten krank, jung und fit. Daher hat es mich erstaunt, wie schwach ich vier Tage lang war. Es begann im April mit Schüttelfrost, Appetitlosigkeit und Fieber. Ich war müde und verlor kurz den Geschmackssinn.

Angesteckt habe ich mich an meinem Arbeitsplatz beim Aargauer Krisenstab, wo mehrere Coronafälle auftauchten. Als ich Symptome bekam, begab ich mich in Quarantäne und isolierte mich von meiner Freundin, die im Gesundheitswesen arbeitet.

Wir kommunizierten über zwei Stockwerke miteinander und meine Partnerin stellte mir Essen vor die Tür. Wir beide wurden kurz darauf positiv auf Corona getestet, sie hatte aber keine Symptome.

Ich bin nur selten krank, jung und fit. Daher hat es mich erstaunt, wie schwach ich war.
Autor: Stefan Stäger hat heute keine Beschwerden mehr

Seit drei Monaten arbeite ich wieder und habe keine Beschwerden mehr. Ich fühle mich sicherer, weil ich die Infektion bereits hatte. Doch ob man immun wird, ist nie ganz gewiss. Daher finde es wichtig, dass die Menschen nicht nachlässig werden und die Massnahmen weiterhin umsetzen.

Echo der Zeit vom 16.07.2020, 18:00 Uhr

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