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Corona-Impfung ab 5 Jahren Kinderarzt: «Wir werden von Eltern bestürmt»

Anfang 2022 könnte hier die Impfung für die Kleinsten aufs Tapet kommen. Ob es sie braucht, hängt von der Impfquote ab.

In den USA könnte die Corona-Impfung für Mädchen und Buben ab 5 Jahren bereits im Spätherbst behördlich zugelassen werden. Für Deutschland oder die Schweiz sei bisher eher die Rede von Anfang 2022, hielt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel kürzlich fest .

Pfizer/Biontech veröffentlicht erste Studiendaten

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Anfang Juni war es so weit: Mit dem Vakzin von Pfizer/Biontech war in der Schweiz ein erster Impfstoff für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen. Anfang August genehmigte Swissmedic mit Moderna einen zweiten Impfstoff für diese Altersgruppe.

Nun drückt das US-Pharmaunternehmen Pfizer/Biontech erneut aufs Gaspedal: Der Konzern hat erste Studiendaten zur Corona-Impfung bei Kindern ab fünf Jahren veröffentlicht.

Gemäss SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel liefert Pfizer/Biontech keine Daten dazu, wie viele Infektionen es in der Studie unter den geimpften Kindern gegeben hat. «Sie können bloss sagen, wie gut die Immunantwort der Kinder ausfällt, also ob sich nach einer Impfung genug Antikörper bilden.» Und diese sei «ähnlich gut wie die Immunantwort nach der Impfung bei 16- bis 25-Jährigen».

Doch macht Impfen bei den Kleinsten überhaupt Sinn? Die beiden Kinderärzte Ulrich Heininger und Christoph Berger klären die wichtigsten Fragen, die Eltern derzeit umtreiben.

Ulrich Heininger

Vakzinologieleiter am Uni-Kinderspital beider Basel

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Ulrich Heininger ist der Leiter der Abteilung für Vakzinologie am Universitätskinderspital beider Basel und ehemaliges Mitglied des WHO-Beratungskomitees für Impfsicherheit.

Christoph Berger

Kinderarzt und Infektiologe

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Christoph Berger ist Kinderarzt und Infektiologe am Universitätsspital Zürich. Er ist zudem Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF).

Eine Spritze in den Oberarm – was löst der Piks bei Mädchen und Buben in diesem Alter aus? «Jedes Kind reagiert anders», sagt Ulrich Heininger, Leitender Arzt Infektiologie/Vakzinologie am Universitäts-Kinderspital beider Basel. «Gewisse weinen, andere halten tapfer hin.» Eine echte Spritzen-Phobie aber hätten «nur wenige Kinder», viele liessen sich gut ablenken.

Schwere Covid-Verläufe bei Kindern sind zwar nicht ausgeschlossen, meist haben sie aber milde Symptome – braucht es für die Jüngsten überhaupt eine Impfung? Sofern Swissmedic ein Vakzin für Kinder ab 5 Jahren zulässt, würde Ulrich Heininger vom Uni-Kinderspital beider Basel die Impfung empfehlen. «Nur, weil es selten schwere Verläufe bei Kindern gibt, soll einen dies nicht vom Impfen abhalten. Man weiss schliesslich nie, wen es trifft.»

Wir werden bestürmt von Eltern, die ihre jungen Kinder am liebsten schon jetzt impfen liessen.
Autor: Ulrich Heininger Leitender Arzt Infektiologie/Vakzinologie Uni-Kinderspital Basel

Seit Ausbruch der Pandemie seien am Uni-Kinderspital beider Basel knapp 100 Mädchen und Buben mit Corona behandelt worden. «Wir werden bestürmt von Eltern, die ihre jungen Kinder am liebsten schon jetzt impfen liessen. Insbesondere, wenn Kinder chronisch krank sind.»

Was spricht für eine Impfung bei den Jüngsten? Eine Impfung sei wie eine Versicherung, sagt Heininger und macht einen Vergleich mit den Masern. «In der Regel sind die meisten ungeimpften Kinder, die an Masern erkranken, nach zwei Wochen wieder fit. In einem von 1000 Fällen kommt es aber zu einer Gehirnentzündung. Das ist zwar selten, trotzdem ist die Impfung wichtig und breit akzeptiert.»

Altersgruppe umfasst 615'000 Mädchen und Buben

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In der Schweiz leben laut den neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik knapp 615'000 Mädchen und Buben zwischen 5 und 11 Jahren. Zum Vergleich: In der Altersklasse der 12- bis 15-Jährigen sind es gut 338'000.

Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, will sich derzeit noch nicht festlegen – das sei massgeblich von der Pandemielage zum Zeitpunkt der Impfstoff-Zulassung abhängig. «Haben wir dann eine Impfquote wie in Dänemark, ist die Impfung der Kleinsten vielleicht nicht mehr nötig.» Ist sie aber tiefer und das Virus zirkuliert weiter stark, müsse man abwägen – zwischen möglichen Nebenwirkungen der Impfung und dem Risiko schwerer Verläufe beim Verzicht darauf.

Was spricht dagegen? Weder Berger noch Heininger haben grundsätzliche Vorbehalte. Zur Angst vor möglichen Nebenwirkungen meint etwa Heininger: «Kinder sind oftmals robuster als man denkt. Eltern müssen nicht damit rechnen, dass bei ihren Töchtern und Söhnen die Nebenwirkungen heftiger ausfallen als bei Erwachsenen.»

Kinder sind oftmals robuster als man denkt.
Autor: Ulrich Heininger Leitender Arzt Infektiologie/Vakzinologie Uni-Kinderspital Basel

Zum einen, weil die bisher vorliegenden Studiendaten nicht in diese Richtung zeigen würden. Zum anderen aufgrund der Erfahrungen aus der Altersgruppe der geimpften 12- bis 15-Jährigen. «Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Fieber oder sehr selten auch Herzmuskelentzündungen können auftreten, in ähnlicher Häufigkeit wie auch bei Erwachsenen.»

«mRNA-Impfstoff am Wahrscheinlichsten»

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«Kinder sind keine kleinen Erwachsenen», sagt Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen. «Man kann die Impfdosis, die einer 50 Kilogramm wiegenden Frau gespritzt wird, für einen 25 Kilogramm leichten Siebenjährigen nicht einfach halbieren.» Das Immunsystem verändere sich je nach Alter. Das zeige sich etwa am Beispiel Diphterie: «Säuglinge brauchen eine weit höhere Dosis als ein Erstklässler.»

Das Pharmaunternehmen Pfizer/Biontech müsse darum zunächst ermitteln, wie hoch die Dosis sein muss, um gleich viele Antikörper im Blut nachweisen zu können. «Dann gilt es zu schauen, wie wirksam das geimpfte Kind gegen eine Erkrankung geschützt ist und wie gut es den Impfstoff verträgt.» Voraussagen zur Dosierung seien darum schwierig. «Weil mRNA-Impfstoffe am weitesten entwickelt sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei einem allfälligen Impfstoff für Kinder um Vakzine von Pfizer oder Moderna handeln wird.»

Berger verweist auch hier auf die Notwendigkeit einer Studie. Und er ergänzt: Ein ganz wichtiger Grund für das derzeitige Impf-Mindestalter von zwölf Jahren sei, dass ein Teenager selber mitreden und mitentscheiden könne. «Ein Siebenjähriger kann das nicht.»

«Es kann nicht sein, dass wir Kinder impfen, nur weil die Erwachsenen nicht wollen.»
Autor: Christoph Berger Präsident Eidgenössische Kommission für Impffragen

Grundsätzlich wirft er aber ein: Weil das Risiko einer Hospitalisierung bei einem 50-jährigen Corona-Patienten bedeutend höher sei als bei einer Sechsjährigen, brauche es zwingend eine höhere Impfquote bei den Erwachsenen. «Es kann ja nicht sein, dass wir Kinder impfen, nur weil die Erwachsenen nicht wollen.»

Impfung für die Jüngsten – wie gross wird das Interesse sein? Berger wie Heininger sind sich diesbezüglich einig: In dieser Altersgruppe dürfte die Durchimpfungsrate zunächst nicht sehr hoch sein. «Geimpfte Eltern werden ihren Nachwuchs vermutlich impfen lassen – Ungeimpfte dagegen kaum», sagen beide unisono.

Regionaljournal Basel Baselland, 01.10.2021, 12:03 Uhr

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