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Steigende Fallzahlen wegen neuer Corona-Variante
Aus Echo der Zeit vom 10.06.2022. Bild: Keystone (Symbolbild)
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Corona-Pandemie Der Beginn einer nächsten Infektionswelle?

Die Corona-Infektionszahlen steigen wieder. Schuld ist die neue Virusvariante BA.5. Was das bedeutet, wissen auch Experten nicht genau.

Es ist nicht lange her, dass die hohe Immunität der Schweizer Bevölkerung ein Grund zum Feiern war. Sie lieferte die Grundlage für den Entscheid, die Corona-Massnahmen beinahe komplett aufzuheben.

50 Prozent mehr Infektionen

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Die am vergangenen Dienstag veröffentlichten Infektionszahlen mit dem Coronavirus lagen um 50 Prozent höher als in der Vorwoche. Auch die Spitaleinweisungen und die Zahl der Intensivpatienten steigen wieder an. Treiber der ansteigenden Infektionszahlen ist die neue Corona-Variante BA.5, welche BA.2 verdrängt, die die letzten Monate dominiert hat.

«97 Prozent aller Erwachsenen in der Schweiz haben Antikörper gegen das Coronavirus im Blut», sagt Tanja Stadler, Epidemiologin an der ETH Zürich. Die Antikörper gehen auf eine Impfung, Infektion oder beides zurück.

Sehr viele Leute sind infizierbar

Doch die Zahlen dieser Woche zeigen, dass Immunität keine schwarz-weiss-Angelegenheit ist. Sie variiert von Mensch zu Mensch, sie kann nachlassen – und sie kann durch neue Virusvarianten umgangen werden.

Deshalb sagt Stadler: «Es ist schwierig zu sagen, wie gut die 97 Prozent mit Antikörpern tatsächlich vor einer Infektion geschützt sind.» Die neue Variante BA.5 setzt sich durch, weil sie eine bestehende Immunität aushebelt.

Das bedeutet: Sehr viele Menschen, wenn nicht sogar alle, sind mit der neuen Variante wieder infizierbar. Die Frage ist, wie leicht sie infizierbar sind, wie viele schwere Verläufe dabei sein werden und wie viele Fälle von Long Covid auf die neuste Infektionswelle folgen. Dramatisch wird diese Welle nicht werden, doch genauer kann die Auswirkungen keiner abschätzen.

Jedes Land hat eigenes Immunitätsmuster

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Beispiel Portugal: Dort steigen die Zahlen schon seit Wochen stark an, es gibt viele Arbeitsausfälle, aber sehr wenige schwere Verläufe. Auch dort bestimmt BA.5 das Geschehen. Kommt es in der Schweiz dann nicht grad genauso? «Nicht unbedingt», sagt Volker Thiel, Virologe an der Universität Bern. «Jedes Land hatte in der Pandemie eine andere Geschichte mit Impfungen und Infektionen.» Portugal hat eine sehr hohe Durchimpfung, hatte aber keine BA.2-Welle. Die Schweiz ist etwas weniger gut durchimpft als Portugal, doch sie hatte viele BA.2-Infektionen. In Südafrika wiederum stammt die Immunität fast ganz aus verschiedenen Infektionswellen. Kurz: Jedes Land hat inzwischen ein eigenes Immunitätsmuster.

Neue Varianten umgehen Immunität

Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass es das Virus noch relativ leicht hat, unsere Immunität mit Mutationen immer wieder neu zu umgehen.

Irgendwann sei es vielleicht so weit, dass es eine so breite Immunität gebe, dass das Virus kaum mehr Infektionen auslösen kann, sagt Epidemiologin Stadler. Doch so weit sei man noch nicht. Vorerst muss man mit weiteren Varianten rechnen, die das Immunsystem austricksen können.

Ein Testsystem wäre nützlich

Viele Labore in der Schweiz haben während der Pandemie auf Eigeninitiative Tests durchgeführt, und geschaut, wie gut Schweizer Genesene oder Geimpfte gegen Infektion mit der jeweils gerade dominierenden Variante geschützt sind. Das brachte immer wieder grundsätzlich wissenschaftlich neue Erkenntnisse.

Zwei Passagiere in einem Bus, eine Frau trägt eine Maske.
Legende: Angesichts der steigenden Fallzahlen sieht man wieder mehr Menschen, die freiwillig eine Gesichtsmaske tragen. Keystone

Doch jetzt bringen solche Tests nichts wissenschaftlich Neues mehr. Sie wären aber immer noch nützlich, um die Lage epidemiologisch einzuschätzen. Solche Tests wären demnach mehr eine Aufgabe für eine Routine-Überwachung als für Forschungslabors.

Eine solche Überwachung aufzugleisen, wäre ausgesprochen sinnvoll, findet der Berner Virologe Volker Thiel.«Bei neuen Varianten könnte so die Frage relativ rasch beantwortet werden, ob die Immunität in der Schweizer Bevölkerung noch ausreichend ist.»

Eine Art Hochwasser-Vorbereitung

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Man kann ein Überwachungssystem mit Corona-Tests vielleicht mit dem Hochwassermonitoring für ein grösseres Flusssystem wie den Rhein vergleichen: Weiss man, was mit dem Flusspegel in Basel passiert, wenn es im Jura in kurzer Zeit viel regnet, dann kann man sich vorbereiten, rechtzeitig reagieren und die Stadt vor Schaden schützen. Weiss man das nicht, ist es für Schutzmassnahmen schon zu spät, wenn das Ausmass der Wassermassen klar wird – oder man verfällt schon bei Regenintensitäten in Panik, die gar keine dramatischen Folgen haben.

Die Finanzierung für die meisten Forschungsprojekte mit solchen Tests läuft nun nach zwei Jahren aus. Überlegungen für Anschlusslösungen sind noch nicht konkret.

Braucht es eine vierte Impfung?

Eine Schutzmassnahme wäre im Corona-Zusammenhang die vierte Impfung. Dabei geht es um die Frage, wann dafür der richtige Zeitpunkt ist, aber auch darum, ob ein angepasster Impfstoff nötig ist und wie eine solche Anpassung auszusehen hätte. «Diese Frage muss jedes Land einzeln beantworten, vor dem Hintergrund der jeweiligen Bevölkerungsimmunität», sagt Thiel.

Für Grippepandemien ist relativ klar, dass nach ein, zwei Jahren wieder Ruhe einkehrt, das hat man aus der Geschichte gelernt. Doch Corona ist kein Grippevirus, es verhält sich grundsätzlich anders. Ausserdem ist die aktuelle Pandemie sein erster, halbwegs gut untersuchter Auftritt. Vorhersagen bleiben deshalb schwierig.

Noch sei man nicht so weit, dass das Coronavirus bei uns ohne grössere Wellen zirkuliere, sagt Stadler. Insofern scheint es lohnend, gut im Auge behalten, was das Virus an Neuem mitbringt und was das jeweils für die Schweiz bedeutet.

Echo der Zeit vom 10.6.2022, 18:00 Uhr

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