Fast 3.8 Millionen Mal wurde die SwissCovid-App bis heute heruntergeladen. Aktiv gebraucht wurde sie aber auch in ihren besten Zeiten im November 2021 von höchstens 2.3 Millionen Menschen – nur einem Viertel der Bevölkerung also.
Laut einer Studie der Universität Oxford ist bei Contact-Tracing-Apps eine Nutzerquote von mindestens 60 Prozent nötig, um eine Epidemie zu beenden. Allerdings: Um Infektionen und Todesfälle zu verhindern, genüge auch schon eine Quote von 15 Prozent.
Marcel Salathé, Professor für digitale Epidemiologie an der ETH Lausanne und Mitentwickler der App, zieht denn auch ein grundsätzlich positives Fazit: In kurzer Zeit sei eine Software entwickelt worden, die bei Sicherheitsexperten und Datenschützerinnen gut ankam, weil der Schutz der Privatsphäre beim Design zentral war.
Nach der ersten Welle sah es vielversprechend aus, vieles deutete darauf hin, dass die App eine Wirkung hatte. Wissenschaftliche Studien bestätigten den Eindruck: Dank Warnungen der App hätten sich Personen mit einem Ansteckungsrisiko etwa einen Tag früher in Quarantäne begeben. Damit habe SwissCovid einen relevanten Beitrag zur Pandemiebekämpfung geleistet.
Auch das Bundesamt für Gesundheit erklärt auf Anfrage von SRF, man sei der Ansicht, dass sich die Wirksamkeit und der Nutzen der App bestätigt hätten. Das Ziel, asymptomatische Fälle zu finden und die Infektionsketten zu durchbrechen, sei erreicht worden.
Doch rasch zeigten sich auch die ersten Probleme: Bei der Vergabe der sogenannten Covid-Codes, die Infizierte in die App eingeben müssen, um eine Warnung auszulösen, zeigten sich die kantonalen Gesundheitsämter oft überfordert. Weil die Prozesse rund um die App in der zweiten Welle regelrecht zusammenbrachen, fehlen die Daten, die es zur Berechnung der Wirksamkeit braucht.
Es gibt noch einiges zu tun
Für Marcel Salathé ist das ein Zeichen für ein grösseres Problem: «Die Schweiz hat leider kein sehr gutes digitales Umfeld im öffentlichen Gesundheitswesen. Deshalb war auch die Integration dieser digitalen App sehr schwierig».
Die Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen sei nicht weit fortgeschritten, in anderen Ländern etwa konnte man einen Test direkt aus der Tracing-App buchen, so der Wissenschaftler: «Da müssen wir über die Bücher.»
Dringend geklärt werden muss für Salathé auch die Frage, warum die Parameter von SwissCovid nie auf die neuen, ansteckenderen Viren-Varianten angepasst wurden – sodass die App schon bei kürzerer Kontaktdauer und grösserem Abstand Alarm schlägt: «Das hatte zur Konsequenz, dass während der Omikron-Welle nur sehr wenig Leute eine Warnung erhalten haben.»
Das BAG schreibt dazu, die gewählten Parameter basierten auf den geltenden Regeln für das Contact Tracing der Kantone. Eine Anpassung sei zwar diskutiert, aber nicht priorisiert worden.
Gemischte Bilanz
Die Bilanz zur App fällt also gemischt aus: Technisch funktioniert sie einwandfrei und auch der Datenschutz ist vorbildlich geregelt. Bei der Einbindung ins Schweizer Gesundheitssystem gab es aber grosse Probleme – auch, weil da noch grosse digitale Lücken bestehen.
Und von den Behörden erhoffte man sich ein grösseres Engagement. Nach der Lancierung schien sich im BAG niemand mehr richtig zuständig zu fühlen – weder wurde die App gross beworben, noch machte SwissCovid selber mit gezielten, regelmässigen Nachrichten auf sich aufmerksam.
So ging die App in der Bevölkerung bald vergessen, obschon sie im Hintergrund treu ihren Dienst erledigte - und immer noch erledigt.
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