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Corona-Politik Ski-Verbot wegen Corona? Angriff auf das Zweitheiligste

Deutschland und Italien wollen den Skitourismus in Europa über Weihnachten und Neujahr einstellen. Aus Schweizer Sicht fast so schlimm wie die Abschaffung der direkten Demokratie oder ein EU-Beitritt.

Doch dieses Fondue wird wahrscheinlich nur halb so heiss gegessen wie gekocht. Wer den österreichischen Bundeskanzler Kurz und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel gehört hat, weiss: Das kommt auf europäischer Ebene nicht durch. Kurz klang entschlossen, Merkel resigniert.

Die zweitschärfste Waffe Berlins wäre eine Reisewarnung: Dann würde zum Beispiel eine Reisekrankenversicherung nicht gelten. Aber auch so schrecken die geltenden Quarantänevorschriften ab. Und ohnehin reisen die Deutschen eher nach Österreich als in die Schweiz zum Skifahren.

Wenn nicht Mecklenburg, warum dann Grindelwald?

Aus deutscher Sicht ergibt der Vorstoss zwar Sinn: Berlin hat einen Teil-Lockdown verordnet und versüsst die Pille mit 30 Milliarden Euro für die Monate November und Dezember. Und wenn man schon nicht nach Mecklenburg-Vorpommern in die Ferien reisen kann, warum dann zum Skifahren nach Ischgl? Wenn das Restaurant und das Theater um die Ecke pleitegehen, weil geschlossen, dann müssen die Deutschen nicht auch noch durch den Schnee in Grindelwald kurven. Umso mehr als sie viel weniger Ski-verrückt als die Schweizer sind. Ausser die Süddeutschen und die Bayern vielleicht.

Gerade Bayerns Ministerpräsident Söder aber war derjenige – so heisst es im politischen Berlin –, der auf ein Skiferienverbot drängte. Zu sehr sitzt Bayern noch das Ischgl-Trauma in den Knochen. Und Hardliner wie Markus Söder sind der Meinung – nicht ganz zu Unrecht –, die zweite Welle sei auch durch die Ferienreisen im Herbst verursacht worden.

Nachbarn auf unterschiedlichen Planeten

Berlins Corona-Politik kann man vertreten. Sie ist in sich logisch. Auch wenn Gebote und Verbote aus Schweizer Sicht unsympathisch und bevormundend wirken. Umgekehrt sind die Schweizer Corona-Zahlen auch nicht gerade appetitfördernd.

Irritierend ist aber, wie sehr sich die Sprache in den Nachbarländern Schweiz und Deutschland unterscheiden. Nachbarn zwar, aber auf unterschiedlichen Planeten, so kommt es einem vor. Bern sieht bereits eine Trendwende, obwohl es in der Schweiz proportional doppelt so viele Neuinfektionen wie in Deutschland gibt. In Berlin dagegen spricht man von den härtesten Weihnachten seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Das ist absurd. Ich möchte nicht wissen, wie man im zerstörten Deutschland im sogenannten Hungerwinter 1946/47, einem der kältesten des Jahrhunderts, Weihnachten gefeiert hat.

Die Methoden im Kampf gegen Corona sind das eine; das können Politiker und Expertinnen so oder anders sehen, aber nur Angst verbreiten ist nie eine gute Kommunikationsstrategie. Umgekehrt gilt auch für die Schweiz beim «bösen» Angriff auf das Zweit-Heiligste, das Skifahren: Keep calm and carry on.

Tagesschau vom 26.11.2020. 19.30 Uhr

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