Viele ächzen unter den Corona-Massnahmen. Dabei hat die Zahl der Covid-Kranken in den Spitälern deutlich abgenommen und es sterben immer weniger Menschen am Virus. Also alles gut und schnell öffnen? Schliesslich sollen die Massnahmen Leben schützen und die Spitäler vor der Überlastung.
Aber nach wie vor ist Vorsicht geboten: Seit knapp zwei Wochen steigen die Fallzahlen wieder etwas. Der R-Wert ist knapp grösser als eins.
Bis jemand nach einer Infektion mit dem Corona-Virus ins Spital muss, dauert es meist zwei Wochen oder mehr, bis zum Tod noch länger. Das heisst: Steigen die Fallzahlen wieder, werden die Hospitalisierungs- und Todeszahlen folgen.
Momentan könne niemand sagen, wie sich die Fallzahlen entwickeln, hat Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Taskforce, am Dienstag gesagt.
Mögliche Treiber der Epidemie seien die erneuten Lockerungen und die ansteckendere Variante B.1.1.7., die nun fast 70 Prozent der Ansteckungen ausmacht – auch wenn die festgestellten Neuansteckungen etwas unter dem Szenario der Taskforce liegen.
Bremsend wirken könne ein massives Testregime, wie es der Bund möchte – wenn es flächendeckend funktioniert. Was dauern wird: Die Umsetzung sei ein Kraftakt für die Kantone, sagte Rudolf Hauri, Kantonsarzt von Zug, gestern.
Bremsen können auch die Impfungen, speziell bei Hospitalisierungen und Tod, weil zuerst die Risikopersonen geimpft werden. Aber bis alle so geschützt sind, wird es wohl Ende April.
Auch die allgemeine Sterblichkeitskurve sollte man mit Vorsicht betrachten, selbst wenn sie bei den über 65-Jährigen plötzlich Erfreuliches anzuzeigen scheint: eine Untersterblichkeit. Diese Untersterblichkeit in der nationalen Kurve geht auf eine Untersterblichkeit in der Genfersee-Region zurück. Aber diese, sagt Christoph Junker vom Bundesamt für Statistik (BFS), «ist teilweise auf verzögerte Meldungen von Todesfällen aus dem Kanton Waadt zurückzuführen» - und damit wohl nur begrenzt real.
Aber auch die Sterbekurven anderer Regionen weisen in Richtung Untersterblichkeit. So könnte diese doch noch eintreten. Das kann laut BFS verschiedene Gründe haben. Zum Beispiel gab es – wohl wegen der Corona-Schutzmassnahmen – keine Grippetote. Und es könne sein, dass manche der Menschen, die an Covid-19 gestorben sind, so alt und krank waren, dass ihr Leben nur um Wochen abgekürzt wurde.
Wie gross dieser ausgleichende Effekt werden kann, sei schwer vorauszusagen, sagt Christoph Junker. Das BFS analysiere die Pandemie der Spanischen Grippe von 1918 bis 1921. Nach drei Jahren mit hoher Sterblichkeit folgten sechs Jahre mit tiefer Sterblichkeit. Da man aber bei keinem Menschen sagen könne, wie lange er hätte leben können, sei eine genaue Bilanz nicht möglich.
Was man sagen kann: Von den über 9000 Menschen, die in der Schweiz bisher im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben sind, haben die meisten einige Lebenszeit verloren, vor allem die etwa 2600 unter 80-Jährigen. Diese vielen kumulierten Jahre werden statistisch kaum aufzuholen sein.