Zum Inhalt springen

Wie weiter am 22. März? Taskforce-Chef: «Wir raten zu vorsichtigen, kleinen Schritten»

Die wissenschaftliche Corona-Taskforce des Bundes stand in den letzten Wochen massiv in der Kritik. Die Politik wollte ihr sogar einen Maulkorb verpassen. Dazu ist es nun doch nicht gekommen. Taskforce-Präsident Martin Ackermann spricht im Interview über die Rolle des Gremiums und betont, dass ein Restrisiko bestehen bleibe.

Martin Ackermann

Chef der Covid-19-Taskforce

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Der Experte für Mikrobiologie, Prof. Dr. Martin Ackermann, ist seit dem 1. August 2020 der Chef der Covid-19-Taskforce des Bundes. Ackermann ist seit August 2008 ausserordentlicher Professor für molekulare mikrobielle Ökologie am Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik der ETH Zürich.

SRF News: Wie erleichtert sind Sie, dass es den vom Parlament angedrohten Maulkorb für Ihre Taskforce nicht gibt?

Martin Ackermann: Ich bin froh. Politik und Wissenschaft sind im Kern ähnlich. Es geht um Debatten, es geht darum, dass nicht alle gleicher Meinung sind. Ich habe grossen Respekt vor den Politikerinnen und Politikern, welche die grossen, schwierigen Entscheidungen treffen müssen. Und den Entscheid von gestern habe ich so interpretiert, dass es auch Respekt gibt für unsere Rolle und unsere Arbeit.

Die Taskforce stand auch sonst in der Kritik. Es gab unter anderem den Vorwurf, sie würde Weltuntergangs-Szenarien verbreiten.

Schauen wir doch, was im letzten Herbst passiert ist. Wir waren in einer Situation, in der die Belegung der Intensivpflege-Stationen schnell zugenommen hat. Wir haben dann Prognosen gemacht, wie lange es geht, bis die Kapazitätsgrenze erreicht ist. Das ist dann tatsächlich auch eingetroffen – zum Glück hat die Politik eingegriffen und verhindert, dass es noch schlimmer wird.

Wir machen nie konkrete Vorschläge für die Entscheidungsträger, sondern wir offerieren Handlungsoptionen.

Sie haben damals aber auch zehn Massnahmen vorgeschlagen. Wenn man die umgesetzt hätte, wären wir sechs Monate durchgehend im Shutdown gewesen.

Wir machen nie konkrete Vorschläge für die Entscheidungsträger, sondern wir offerieren Handlungsoptionen; Optionen, von denen wir wissen, dass sie wirksam Infektionen verhindern können.

Handlungsoptionen hat am nächsten Freitag auch der Bundesrat. Er muss entscheiden, wie es ab dem 22. März weitergehen soll. Was raten Sie dem Bundesrat?

Wir liefern eine Einschätzung der aktuellen Situation. Seit Oktober, November ist es uns gelungen, die Ansteckungen dreimal zu halbieren. Gleichzeitig sind aber die ansteckenden Varianten häufiger geworden. Im Moment haben wir ein substanzielles Risiko, dass es wieder zu einem Anstieg der Infektionen kommt.

In dieser ungewissen Situation raten wir aus wissenschaftlicher Sicht, vorsichtige, kleine Schritte zu machen und die weiteren Entscheidungen immer auf einer Analyse der Situation abzustützen.

Vorsichtige Schritte – das würde zum Beispiel bedeuten, die Restaurants nicht alle zu öffnen am 22. März.

Genau – das wäre vorsichtig.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

Tagesschau, 09.03.2021, 18:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel