Ab Mitte Februar 2020 kam in der Schweiz die Grippewelle so langsam in Fahrt – und auch andere übertragbare Atemwegserkrankungen häuften sich. Doch dann kommt das Coronavirus und verweist alle auf die Plätze. Forscher vom Basler Universitätsspital haben nun eine Datenreihe mit über 7000 Patienten veröffentlicht, die Erstaunliches zeigt.
Corona verdrängt alles andere
Anfang März beginnt ein Umschwung: Sars-CoV-2 taucht auf und verdrängt innerhalb von drei Wochen Grippe und Erkältungen. Fast 50 Prozent der Patienten mit übertragbaren Atemwegserkrankungen, die sich beim Basler Universitätsspital melden, leiden zu der Zeit an Covid-19. Es war die exponentielle Phase der Corona-Epidemie in der Schweiz. Die anderen Atemwegserkrankungen gingen in dieser Zeit deutlich zurück, auch in absoluten Zahlen. Aber warum?
Bekannt ist, dass wer etwa eine Grippe hat, sich in der Regel nicht auch noch gleichzeitig mit einer Erkältung ansteckt. Dafür sorgt das angeborene Immunsystem. Die Forscher vermuten nun, dass Menschen, die sich mit Corona ansteckten, dafür umgekehrt vor der normalen Grippe geschützt waren. Nur knapp zwei Prozent der Corona-Infizierten hatten zusätzlich noch eine Grippe oder etwa eine Erkältung.
Kinder wegen Grippe geschützt
Anders bei Kindern: Dass sie deutlich weniger an Corona erkranken, ist schon länger bekannt, gibt aber noch immer Rätsel auf. Die Basler Forscher um Hans Hirsch, Professor für Virologie und Infektiologe am Unispital Basel und Senior-Autor der Studie, sehen in ihren Daten aber eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen. «Wir hatten über 350 Kinder getestet und der Anteil an Covid-19 erkrankten war dreimal tiefer als bei Erwachsenen». Weil Kinder aber Grippe und andere respiratorische Viren sehr gut verbreiten würden, könnte dies eine Erklärung dafür sein, warum sie weniger empfänglich für Corona seien, so Hirsch, weil sie sich nicht oder nur selten doppelt infizieren würden.
Hirsch betont, dass dies bisher ungeklärte Hypothesen seien. So könnte der Anstieg von Corona und der gleichzeitige Rückgang der anderen Erkrankungen auch damit zusammenhängen, dass sich die Menschen nicht mehr trauten, ins Spital zu gehen. «Wir hatten in Basel aber das externe Testzentrum in der Predigerkirche», sagt Hirsch. Er denke nicht, dass sich die Leute mit grippe-ähnlichen Krankheitssymptomen davon abhalten liessen zu kommen. Auch ein zufälliger Effekt wäre möglich, nämlich, dass die Grippewelle auch ohne Corona abgeflacht wäre.
Klarer nach dem Sommer
Hirsch hofft, im Herbst mehr zu wissen. Denn wenn seine Hypothese mit den Kindern stimmt, dann müssten sie sich jetzt im Sommer vermehrt mit Sars-CoV-2 anstecken, weil kaum Grippeviren im Umlauf sind. Aber auch was der nächste Winter bringt, ist noch sehr unklar: Es könne sein, dass Sars-CoV-2 die Grippeviren verdränge und das dominante Virus werde. Aber auch die Abstandsregeln könnten Grippefälle im nächsten Winter reduzieren.
Hier geht es zum Link der Studie (Preprint) .