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Coronapatienten Sterben im Heim – oder im Spital?

Die Pandemie trifft Alters- und Pflegeheime besonders. Im Kanton Zürich sind über 60 Prozent der Coronapatienten im Heim verstorben. Die Alternative wäre das Spital.

In der ganzen Schweiz sind Alters- und Pflegeheime stark von der Pandemie betroffen. In mehreren Kantonen sind mehr Covid-Patienten in Heimen als im Spital verstorben. Besonders in Zürich haben sich viele der Todesfälle in Altersinstitutionen ereignet – nämlich 63 Prozent.

Darüber, die letzten Momente im Altersheim oder im Spital zu verbringen, entscheidet grundsätzlich jeder Mensch für sich. Zusammen mit Angehörigen, dem Pflegepersonal und Ärzten werden die Möglichkeiten besprochen und in der Patientenverfügung festgehalten. Für Heimbewohner bedeutet es, zwischen der bestmöglichen medizinischen Versorgung und dem Abschied im gewohnten Umfeld zu entscheiden.

Bei milden Symptomen können die Spitäler auch nicht mehr machen, als wir.
Autor: Brigitt Studer Leiterin Pflege Alterszentrum St. Peter und Paul, Zürich

Entsprechende Gespräche sind für Altersinstitutionen nichts Neues. In vielen Häusern wird schon früh über den Sterbeort geredet, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Während der ersten Welle hat der Kanton Zürich die Heime zu diesen Besprechungen ausdrücklich aufgefordert. Sie sollten die Bedürfnisse ihrer Bewohnerinnen und Bewohnern, in Bezug auf Corona, noch einmal einholen.

Corona ändert nichts

Im Alterszentrum St. Peter und Paul in Zürich hätten sich alle Bewohner gegen eine Verlegung entschieden, sagt Brigitt Studer, welche den Bereich Pflege leitet. Corona habe daran nichts geändert. Im Spital sei die Atmosphäre eine andere und die meisten gesundheitlichen Beschwerden können auch im Heim behandelt werden, führt die Pflegeleiterin aus.

So gesehen ist die hohe Sterberate in Zürcher Heimen nicht unbedingt negativ. Sie kann bedeuten, dass die Zürcher Heime gut ausgerüstet sind, ihre Bewohner auch auf dem letzten Weg zu begleiten. Eine abschliessende Interpretation ist aber auch für Fachleute schwierig. Es gibt sehr viele Faktoren, die mehr oder weniger subtil einen Einfluss auf den Patientenentscheid haben können.

Ausserdem hat auch die Patientenverfügung ihre Grenzen. Sie dient den Angehörigen und Fachpersonen im Ernstfall als Entscheidungshilfe. Über die allfällige Verlegung wird von ihnen noch einmal entschieden. Auch auf diesen Beschluss könnten die kantonalen Umstände, wie zum Beispiel der jeweilige Preis eines Spitalbetts oder das Durchschnittsalter in den Heimen, Einfluss haben.

Corona engt Spielraum ein

Gerade die Gewichtung der Patientenverfügung könnte durch Corona weniger werden. So bestehe, laut Birgit Studer, bei den Zürcher Spitälern nicht mehr viel Spielraum. Die Institutionen seien stark ausgelastet, darum könnten leichte Fälle nicht mehr so schnell hospitalisiert werden wie früher. Auch der umgekehrte Fall, dass Personen, die gerne im Heim bleiben möchten, wegen Corona vorsorglich verlegt werden, ist für den Geriater Andreas Stuck denkbar.

Es kann sein, dass manche Patienten aus Heimen ins Spital verlegt werden müssen, wenn Heime nicht dafür ausgerüstet sind, die entsprechende Isolation oder die Palliativmassnahmen durchzuführen.
Autor: Andreas Stuck Präsident Schweizer Fachgesellschaft für Geriatrie

Für Coronakranke seien nicht alle Heime genug ausgerüstet, sodass möglicherweise Patienten zur Sicherheit ins Spital verlegt würden.

So gesehen, würden Zürichs hohe Sterbewerte im Heim für den Kanton sprechen. Für die Betroffenen ist, auch jetzt, vor allem wichtig, dass sie ihre letzten Momente friedlich verbringen können. Die Krankheit soll dann in den Hintergrund treten.

Schweiz Aktuell, 22.12.20; 19:00 Uhr

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