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Coronatests Bundesrat will Spucktests für Zuhause – Labore sind verärgert

Der Bundesrat will neue, sicherere Corona-Spucktests für den Hausgebrauch zulassen. Damit zu Hause niemand schummelt, soll dabei eine Überwachung per Video stattfinden. Der Verband der medizinischen Laboratorien der Schweiz kritisiert dies scharf.

Nicht mehr im Testzentrum Schlange stehen, sondern zu Hause einfach in ein Röhrchen spucken, die Probe per Post ans Labor schicken und aufs Resultat des PCR-Tests warten: Der Bundesrat möchte solche Do-it-yourself-Spucktests neu erlauben. Von der Öffentlichkeit unbemerkt hat er am Mittwoch seine «nationale Testungsstrategie» entsprechend angepasst und den Kantonen zur Stellungnahme unterbreitet.

Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung im Bundesamt für Gesundheit BAG, bestätigt gegenüber SRF: «Je niederschwelliger und je einfacher der Zugang zu einem Test ist, desto grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Personen testen lassen – regelmässig und auch ohne Symptome.» Zumindest für die Personen, die damit umgehen könnten, sei dies ein gutes Angebot, findet Mathys.

Den Behörden ist aber bewusst, dass der Spucktest im Eigenheim fälschungssicher sein muss. Damit niemand schummelt und die Speichelprobe einer anderen Person einschickt. Deshalb will der Bundesrat die Voraussetzungen für solche Tests noch explizit in einer Verordnung definieren, wie er schreibt. Und er hält fest, dass das Laboratorium, das die Probe analysiert, verantwortlich sei für die Identitätskontrolle und die Überwachung der Probeentnahme. Zum Beispiel per Videoüberwachung am Computer.

Laboratorien reagieren verärgert

Da bleibt den Laboratorien die Spucke weg. Man sei vom Bundesrat weder informiert noch einbezogen worden, ärgert sich Nicolas Vuilleumier, Präsident des Verbands der medizinischen Laboratorien der Schweiz FAMH auf Anfrage. Und er schreibt: «Da die Laboratorien die Proben nicht selbst entnehmen, können sie in keiner Art und Weise die Identifizierung der Proben garantieren. Und auch nicht, dass die wesentlichen Bedingungen vor der Untersuchung eingehalten werden.»

Im Moment existiere kein einziges technisches Mittel in den Laboratorien, mit dem man jemanden via Bildschirm sicher identifizieren könnte, wie dies der Bundesrat wünsche, hält der Professor an den Genfer Universitätsspitälern fest. Die Option einer Überwachung per Video sei zurzeit rein «theoretisch».

Offene rechtliche Fragen

Vuilleumier äussert ganz grundsätzliche Bedenken: Bei den bisherigen Selbsttests mit den Stäbchen habe der Bundesrat der Bevölkerung das Vertrauen entgegengebracht, dass diese keinen Missbrauch betreibe. Mit seiner neuesten Ankündigung stelle er das nun infrage: «Es ist sehr zu bedauern, dass dieses Bürgerprinzip, das sich bis heute bewährt hat, ohne guten Grund in Misskredit gebracht wird.»

Die vorgeschlagene Videoüberwachung werfe zudem wesentliche ethische, rechtliche und organisatorische Fragen auf, die zuerst geklärt werden müssten, betont Vuilleumier: «Sonst kann man nicht ausschliessen, dass sich eine ganze Reihe von Laboratorien aus den aktuellen Corona-Untersuchungen zurückziehen werden.»

Der Bundesrat hat mit seinen Plänen für Do-it-yourself-Spucktests offenbar in ein Wespennest gestochen.

Echo der Zeit, 14.8.21, 18 Uhr

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