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Das Geschäft mit Gold Schweizer Goldbranche ringt um Transparenz

Die Schweiz ist eine der wichtigsten Drehscheiben für Gold. Der Bund soll nun aber den Umgang mit Gold neu regeln. Denn einerseits wird der Ruf nach mehr Transparenz im undurchsichtigen Goldgeschäft immer lauter. Andererseits tauchen vermehrt gefälschte Barren aus echtem Gold auf.

Hohe Betonmauern mit Stacheldraht umgeben den Sitz von Argor-Heraeus in Mendrisio. Die schlichten, funktionalen Fabrikgebäude der Goldraffinerie offenbaren sich erst, wenn sich eines der schweren Stahltore öffnet. Das geschieht für Aussenstehende eher selten – und nur auf Einladung.

Der Hauptsitz von Argor in Mendrisio.
Legende: Hohe Betonmauern umgeben den Sitz von Argor-Heraeus in Mendrisio. SRF/Dario Pelosi

Argor-Heraeus ist eine von vier Schweizer Raffinerien, die gut zwei Drittel des weltweit neu gewonnen Goldes verarbeiten. Chef von Argor-Heraeus ist Christoph Wild. Fabriktauglich eingekleidet führt er einige Sicherheitsschleusen später durch seine Goldfabrik.

Die Gold-Drehscheibe Schweiz

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4500 Tonnen Gold werden pro Jahr weltweit neu geschürft oder in Form von Altgold eingeschmolzen. 50 bis 70 Prozent davon werden in der Schweiz raffiniert. Entsprechend stehen vier der grössten Raffinerien in der Schweiz. Valcambi, Pamp und Argor-Heraeus haben ihren Sitz im Tessin, Metalor in der Romandie.

Die Standorte orientieren sich an ihrer Kundschaft, denn die Hauptabnehmerin von raffiniertem Gold ist die Schmuckbranche. Diese war lange ein wichtiger Industriezweig in Italien. Gleichzeitig hat die Schweizer Uhrenindustrie ihre Produktionsanlagen im Jurabogen. Genauere Angaben zu Kundschaft und Lieferanten macht die Goldbranche nicht. Als Begründung führt sie Markt- und Sicherheits-Risiken an.

Eben ist ein gepanzerter Lastwagen mit einer Lieferung Gold eingetroffen. Frauen und Männer in dunkelblauer Kleidung sind dran, die Gold-Blöcke zu kontrollieren und nach Herkunft zu sortieren. Diese so genannten Doré-Barren glänzen allerdings nicht golden. Vielmehr sind sie porös, silber-, bronze-farbig oder gar dunkel. Jede Charge wird nun einzeln geschmolzen, um deren Goldgehalt und damit den Preis für den Lieferanten zu bestimmen.

Auch in dieser Form haben diese Barren je einen fünf- bis sechsstelligen Frankenwert. Ein einziger Barren könnte also die Finanzsorgen mancher Familie sofort lösen. Dieser Versuchung erliege kaum jemand, sagt Christoph Wild. Einerseits sei sein Personal loyal, andererseits seien aber auch die Kontrollen so rigoros, dass Edelmetalle unerlaubt kaum je den Weg nach draussen finden würden. Später – bei der minutiösen Ausgangskontrolle mit dem Metalldetektor auch für den Chef selbst – wird sich diese Aussage bestätigen.

Bis das raffinierte Gold seinen typischen Glanz erhält, durchläuft es eine Reihe von chemischen Prozessen und kann ganz unerwartete Formen annehmen. «Auch das ist Gold», versichert Wild vor mehreren Plastikbecken mit feinem, bräunlichem Sand, der auf jedem Spielplatz oder Kakteentopf eine gute Falle machen würde. In riesigen Bädern wird schliesslich mit Elektrolyse das typisch glänzende Feingold gewonnen und in Barren oder Stangen für die Weiterverarbeitung gegossen.

Argor-Heraeus ist einer der grössten Zulieferer für die Schmuckindustrie. Entsprechend werden in Mendrisio auch Legierungen für Uhrengehäuse, Armbänder oder Ringe gefertigt. Christoph Wild zeigt auf Kisten mit verschiedenen Mixturen aus glänzenden Metall-Körnern. Je weisser das Gold sein soll, desto höher ist der Anteil an Silber oder Platin in der Kiste. Je röter das Gold scheinen soll, desto mehr Kupfer ist dem Rezept beigemengt.

Gefälschte Barren aus echtem Gold

Christoph Wild lebt seit über 30 Jahren in Mendrisio. Gold in seiner Fabrik Schritt für Schritt zum Glänzen zu bringen, sei seine Leidenschaft. Entsprechend hat es ihn persönlich getroffen, dass Ermittler in Banken mehrfach gefälschte Goldbarren gefunden haben, auch solche mit dem Logo seiner Raffinerie darauf eingeprägt. Das Verfahren sei noch am Laufen, weshalb er keine Auskünfte geben dürfe, sagt Wild. Die Fälschungen seien aber sehr gut.

Noch gebe es versteckte Hinweise, die auf eine Fälschung hinweisen würden. Die Fälscher – mit grosser Wahrscheinlichkeit aus China oder Japan – würden aber immer besser. «Früher hat man Barren aus Wolfram mit Gold überzogen und so versucht, Geld zu machen», erklärt Wild. Heute bestünden die Barren aus echtem Gold, deren Herkunft allerdings unklar sei. So würde Geldwäscherei betrieben.

Transparenz via Ombudsstelle

90 Prozent des neuen Goldes stamme aus industriellen Minen, zum Beispiel aus Südafrika, erklärt Wild. Hier könnten sie Herkunft und Produktionsbedingungen gut überprüfen. Anders sei die Situation bei jenen 10 Prozent Gold, die von einfachen Bergleuten quasi in Handarbeit gefördert würden. «Wir können nicht jeden einzelnen Bergwerker überprüfen.» Da brauche es Gewährsleute, die sicherstellten, dass das Gold den gewünschten Standards entspreche. «Dass da gewisse Probleme auftauchen können, ist bekannt. Das würde ich nicht bestreiten.»

Grundsätzlich sei die Goldbranche durch internationale Verbände bereits stark reglementiert und kontrolliert und unterstehe in der Schweiz derzeit der Finanzmarktaufsicht. Auch lege er sämtliche Zahlen, Kunden und Lieferanten offen, versichert Argor-Chef Christoph Wild, wenn auch nicht öffentlich. Die Verbände oder eine Ombudsstelle sollen vollumfänglich Einblick haben, nicht aber NGOs oder die Konkurrenz. Das sei zu heikel.

Gänzlich auf das Gold solcher Klein-Mineure verzichten will der Argor-Chef aber auch nicht. Zwar wäre das Risiko so kleiner, Gold aus Kinderarbeit einzukaufen. Doch würde weltweit die Existenz von rund 100 Millionen Menschen gefährdet, die vom Goldgeschäft abhängig sind. Diese Leute würden in die Illegalität gedrängt. Christoph Wild möchte aber den Handel umgestalten. Die kleinen Mineure müssten sich zertifizieren lassen. Im Gegenzug könne er das Gold direkt bei ihnen kaufen und dafür auch deutlich mehr zahlen.

Kritik der NGOs bleibt

Die Vorschläge des Chefs der Goldraffinerie in Mendrisio stossen bei Nichtregierungsorganisationen auf Skepsis. «Entweder ist man transparent und hat nichts zu verbergen oder man ist es nicht, weil man etwas zu verbergen hat», moniert zum Beispiel Christoph Wiedmer, Co-Geschäftsleiter der Gesellschaft für bedrohte Völker. Auch vertraue er einer möglichen, staatlichen Ombudsstelle zu wenig. Der NGO-Vertreter begrüsst aber Wilds Vorschlag, zertifiziertes Gold direkt bei den kleinen Mineuren zu erwerben.

Ähnlich tönt es bei Marc Ummer, dem Gold-Fachmann des Hilfswerks Swissaid. Hinter verschlossenen Türen arbeitet er mit dem Bund, der Goldbranche, Fachleuten und NGOs zusammen an Regeln, um das Schweizer Goldgeschäft sozial und ökologisch verträglicher zu machen. Trotz bestehender Differenzen sei das Gesprächsklima deutlich besser als noch vor einigen Jahren.

Bund und Verarbeiter in der Pflicht

Einerseits sei nun der Bund gefordert, griffige Gesetze zu formulieren, damit neben Fragen zur Geldwäscherei und Fälschungen auch solche zu Menschenrechten geklärt würden. Andererseits müssten auch die Abnehmer von raffiniertem Gold in die Pflicht genommen werden. Banken oder die Schmuckindustrie sollten sich finanziell engagieren, um mehr Mineuren zu ermöglichen, Gold korrekt abbauen zu können.

Einig sind sich die Gesprächspartner am runden Tisch über das Ziel: Goldbarren mit gefälschten Angaben zur Herkunft des Edelmetalls sollen keine Zukunft haben.

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