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Nachholbedarf bei Digitalisierung im Gesundheitswesen
Aus Echo der Zeit vom 19.02.2021. Bild: Imago
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Datenpannen und Faxmeldungen Das Schweizer Gesundheitswesen hat ein Digitalisierungs-Problem

Die Pandemie zeigt: Die Leistungserbringer und die öffentliche Verwaltung hinken bei der Digitalisierung hinterher. Technologie alleine wird das Problem kaum lösen.

Auch im Jahr 2021 nutzen viele Arztpraxen und Spitäler noch immer Faxgeräte, wenn sie dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) klinische Befunde von Coronainfizierten melden. Das bestätigt Sang Il-Kim, der Leiter für Digitale Transformation beim BAG. Ein wesentlicher Anteil der Meldungen komme nach wie vor per Fax, sagt Kim. Der Rest komme per Mail. Somit gelangen alle klinischen Meldungen manuell zum BAG – nicht automatisiert.

BAG-Digital-Chef will bessere Datenflüsse

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Sang-Il Kim betont, auf jeden Fall müsse der Datenfluss von den Spitälern, Arztpraxen und Labors zum BAG in Zukunft verbessert und automatisiert werden. Zu den klinischen Meldungen per Fax sagt der Digital-Chef des BAG, es sei theoretisch möglich, die Leistungserbringer per Verordnung zu zwingen, die Daten digital zu schicken. Doch dann stelle sich auch die Frage, wer die Investitionen in die IT-Systeme bezahlen müsse, so Kim.

Salathé: «20 Jahre Rückstand»

Das Beispiel passt zu einem wenig schmeichelhaften Gesamtbild. Das Schweizer Gesundheitssystem – das zweitteuerste der Welt – hinkt bei der Digitalisierung hinterher. Auch die öffentliche Verwaltung ist im Rückstand. Das zeigen internationale Vergleichsstudien.

Marcel Salathé, Professor für digitale Epidemiologie an der EPFL sagt, man habe technologisch gesehen rund «20 Jahre Rückstand». Er nennt als Beispiele das Fehlen des elektronischen Patientendossiers und einen mangelhaften Umgang mit Daten, die oft noch in PDFs feststeckten.

Es fehlt eine digitale Kultur.
Autor: Marcel Salathé Professor für digitale Epidemiologie, EPFL

Bei den Daten sieht auch Andreas Amsler Handlungsbedarf: «Das Grundlegendste wäre, wenn wir alle Daten, die in PDFs oder Word-Dokumenten vorliegen, in maschinenlesbare Form bringen würden.» Amsler leitet beim Statistischen Amt im Kanton Zürich die Stelle für Open Government Data. Maschinenlesbare Daten, die man nicht mehr von Hand abtippen müsse, seien längst nicht überall Standard, erklärt Amsler. Daten seien aber gerade in einer Pandemie eine wertvolle Entscheidungsgrundlage.

Abhängigkeit von Zulieferern

Ein Problemfeld ist auch die Beschaffung von Software. Ein Beispiel ist das Anmeldesystem für die Covid-Impfungen. Der Bund bestellte dieses im Dezember bei einer Privatfirma. Die Auslieferung an die Kantone erfolgte verspätet und dann gingen die Daten von tausenden Anmeldungen verloren.

Die Verwaltung sei abhängig von externen Softwarefirmen, stellt Danny Bürkli fest, Co-Leiter der Organisation Staatslabor, die sich für eine innovative öffentliche Verwaltung einsetzt. Dadurch könne die Schweiz weniger schnell agieren als Länder, die sehr viel digitales Knowhow in der Verwaltung hätten.

In Grossbritannien habe die Verwaltung schon lange vor der Pandemie «digitale Grundbausteine» beschafft – beispielsweise ein Dienst zum automatischen Verschicken von SMS oder E-Mails. Innert kürzester Zeit sei aus solchen Bausteinen ein Anmeldesystem für Covid-Impfungen entstanden, das die Patienten an ihren Impftermin erinnere, erklärt Bürkli.

Eine Kulturfrage

Wie also kann die Schweiz den Digitalisierungs-Rückstand wettmachen? Mit technologischen Verbesserungen alleine sei es nicht getan, sind sich die Experten einig. «Es braucht mehr digitales Knowhow in der Verwaltung», sagt Danny Bürkli – das heisse auch, dass die Verwaltung attraktiv für digital versierte Talente werden müsse.

Andreas Amsler findet, kompetente Leute seien in der Verwaltung zwar vorhanden, aber man müsse ihnen auch genügend Spielraum zum Arbeiten geben. Das sei auch eine Ressourcenfrage.

Noch grundsätzlicher äussert sich Marcel Salathé mit Blick auf die Behörden: «Es fehlt eine digitale Kultur.» Digitalisierung betreffe alle Bereiche und müsse Teil der Arbeitskultur werden.

Schnelle Fortschritte seien kaum möglich, findet Danny Bürkli: «Während einer Krise die öffentliche Verwaltung zu digitalisieren ist wahnsinnig schwierig bis unmöglich.»

SRF 1, Echo der Zeit, 19.2.2021, 18:00 Uhr

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