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Debatte über Waffenausfuhr Frau Roth, betreibt der Nationalrat Politik für den Papierkorb?

Die Schweiz ringt um ihre Rolle im Ukraine-Krieg. In der Frühjahressession ist es gleich zu mehreren Vorstössen zum Thema Waffenlieferungen gekommen. Franziska Roth, Solothurner SP-Nationalrätin und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats nimmt dazu Stellung.

Franziska Roth

Nationalrätin SP/SO

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Franziska Roth ist Heilpädagogin und Gemeinderätin der Stadt Solothurn. Seit 2019 ist sie im Nationalrat, wo sie Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission ist.

SRF News: Franziska Roth, habe ich das richtig verstanden: Der Nationalrat hat heute entschieden, dass man Wiederausfuhrgenehmigungen für die Ukraine erteilen könnte - aber nur, wenn der UNO-Sicherheitsrat Ja sagt. Und das wird er nie, weil Russland das Vetorecht hat?

Franziska Roth: Sie haben das richtig verstanden. Man hat leider den Passus abgelehnt, der aus unserer Sicht der Ukraine die grösstmögliche Unterstützung geboten hätte.

Man könnten dem auch sagen: Politik für den Papierkorb?

Nein, das hoffe ich nicht. Es soll nämlich ein Zeichen sein an den Bundesrat, dass er jetzt endlich handelt. Der Bundesrat hat Spielraum, das ist auch im Kriegsmaterialgesetz so verankert. Ich hoffe, dass er das Zeichen aufnimmt und handelt.

Aber der Bundesrat hat mehrmals betont, dass Wiederausfuhren für die Ukraine dem Neutralitätsrecht widersprechen.

Der Bundesrat hat Spielraum, und wir werden ihn auch weiterhin darauf hinweisen, unter anderem mit den weiteren Vorstössen, die noch auf dem Schlitten sind, und dem jetzt modifizierten Vorschlag. Hoffen wir, dass der Bundesrat jetzt endlich die Zeichen der Zeit erkennt und vorwärtsmacht.

Der Bundesrat hat mehrmals betont, dass er sich in solchen Fällen ans Gleichbehandlungsprinzip halten müsste. Das heisst: Er müsste dann auch die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial an Russland zulassen.

Das ist natürlich nicht in unserem Sinn, und er muss das auch nicht. In der heutigen Motion hat es eine «Kann»-Formulierung. Das heisst: Er kann Wiederausfuhren genehmigen, muss es aber nicht, wenn übergeordnete Interessen dem gegenüber stehen. Wir haben eine Verpflichtung gegenüber den anderen europäischen Ländern, die weit mehr machen als wir, sowohl humanitär als auch militärisch. Der Bundesrat soll sich diesen Ländern gegenüber solidarisch zeigen und jetzt endlich handeln.

Heute wurde im Rat erwähnt, das IKRK hätte gesagt, sie könnten gleich ihre Koffer packen in der Ukraine und mit den Verhandlungen mit Russland aufhören, wenn ein solcher Passus im Parlament durchkommt.

Das glaube ich nicht. Das IKRK hat noch Spielraum, weil unsere Vorstösse auf dem Völkerrecht basieren.

Jüngst sagte ein Völkerrechtler in der «Tagesschau», das sei mit unserem Neutralitätsrecht nicht vereinbar.

Ein anderer hat im «Club» von letzter Woche gesagt, es sei vereinbar. Es gibt da offenbar verschiedene Meinungen.

Diese ganze Diskussion wäre gar nicht nötig, wenn Sie und Ihre Partei, zusammen mit anderen Parteien, vor eineinhalb Jahren nicht das Kriegsmaterialgesetz verschärft und dem Bundesrat die Möglichkeit genommen hätten, genau solche Ausnahmen bei der Wiederausfuhr zu machen. Bedauern Sie das mittlerweile?

Auf keinen Fall! Wir stehen nach wie vor zu einem verschärften Kriegsmaterialgesetz. Aber wir haben gemerkt, dass es aufgrund des schrecklichen Angriffskrieges Russlands eine Anpassung braucht. Der Bundesrat hat auch heute noch die Kompetenzen, Ausnahmen zu machen. Ich mache dem Bundesrat den Vorwurf, dass er nicht handeln will, obwohl er Spielraum hätte! Und ich hoffe, dass ihm die weiteren Vorstösse aufzeigen, wo sein Spielraum ist und wo er agieren kann.

Am Montag wurde ein erster Vorstoss im Ständerat abgelehnt, heute wurde der zweite Vorstoss zur Hälfte abgelehnt. Es gibt noch weitere Vorstösse. Werden die auch nicht durchkommen?

Den Vorstoss von Thierry Burkart vom Montag können Sie nicht mit unserem vergleichen, denn der wollte eine generelle Öffnung. Das wollen wir nicht! Wir haben einen Vorstoss formuliert, der der Ukraine helfen würde und den europäischen Ländern Spielraum gibt. Der Bundesrat hat nicht eingelenkt, wir bedauern das, aber wir bleiben parlamentarisch dran mit den weiteren Vorstössen und hoffen, dass wir damit durchkommen.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

Tagesschau, 8.03.2023, 18.00 Uhr ; 

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