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GLP-Präsident Jürg Grossen sägt an der Schweizer Neutralität
Aus Samstagsrundschau vom 11.06.2022. Bild: Keystone
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Debatte um Waffenlieferungen GLP-Chef Grossen: «Neutralität ist ein elastischer Begriff»

Was darf ein neutrales Land? Konkret: Was darf die Schweiz? Diese Frage hat in den vergangenen Wochen die Politik beschäftigt – und damit auch GLP-Präsident Jürg Grossen. Seine Grünliberalen gehen bei der Neutralitätsdiskussion so weit wie keine andere Partei. In der «Samstagsrundschau» erklärt Grossen, welche Wege er sieht für die Schweiz.

Jürg Grossen

Jürg Grossen

Präsident Grünliberale

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Der Berner Elektroplaner und Unternehmer Jürg Grossen ist seit 2017 Präsident der Grünliberalen. Seit 2011 sitzt er für die Partei im Nationalrat.

SRF News: Ist die Wahl in den UNO-Sicherheitsrat tatsächlich ein «historischer Schritt für die Schweiz»?

Jürg Grossen: Ich bin etwas vorsichtig mit «historisch». Aber es ist ein sehr wichtiger Schritt. Nach 20 Jahren als UNO-Mitgliedsstaat ist es sinnvoll, dass wir in diesem wichtigsten Gremium Einsatz haben – auch wenn es nur für zwei Jahre ist. Es ist wichtig, dass die Schweiz nicht nur auf den Zuschauerrängen sitzt, wenn es um internationale Koordination und Friedensförderung geht.

Bundespräsident Cassis hat sich zum Ziel gesetzt, Brücken zu schlagen zu den Veto-Mächten USA, Russland und China. Ein realistisches Ziel?

Es ist sehr sinnvoll, wenn die Schweiz versucht, diese Brücken zu schlagen und sich nicht irgendeiner Seite fix zuteilt – und probiert, immer wieder im Dialog zu bleiben. Darin ist die Schweiz historisch gesehen sehr gut. Ob es gelingt, wissen wir erst im Nachhinein.

Neutralität erlaubt auch, dass man deutlich Stellung bezieht.

Dennoch: Die neutrale Schweiz hat beim Ukraine-Krieg, dem grössten Thema des UNO-Sicherheitsrates, klar Position bezogen?

Ja, man hat die international verhängten Sanktionen auch mitgetragen. Aber in diesem Fall ist die Situation klar: Ein Aggressor, Russland, greift den souveränen Staat Ukraine an und verletzt das Völkerrecht eklatant. Die Neutralität erlaubt auch, dass man hier deutlich Stellung bezieht.

Trotzdem hat die SVP Angst um unsere Neutralität. Es bestehe die Gefahr, ins Kreuzfeuer zwischen den Vetomächten zu geraten.

Respekt davor darf man haben. Historisch betrachtet hat die Schweiz aber während allen Kriegen – im Zweiten Weltkrieg, im Balkan-, im Irakkrieg – immer wieder die Neutralität etwas anders ausgelegt. Es war seit jeher ein etwas elastischer Begriff. So sollte es auch in Zukunft sein.

Aktuell ist eine Art politische Identitätssuche im Gang – was heisst Neutralität noch? Die GLP geht so weit wie sonst niemand und findet, die Schweiz sollte direkt in ein Kriegsgebiet Waffen liefern können. Wieso?

Wir haben gesagt, dass man Rüstungsgüter liefern könnte. Wir möchten gerne eine Diskussion darüber lostreten, wie vorzugehen ist, wenn ein Aggressor einen anderen Staat angreift.

Die Ukraine muss sich auf ihrem eigenen Territorium verteidigen und erhält von der Schweiz nicht mal Schutzhelme oder Westen.

Die Ukraine muss sich auf ihrem eigenen Territorium verteidigen und erhält von der Schweiz nicht mal Schutzhelme oder Westen. Es ist auch nicht möglich, dass Dänemark Panzer weitergibt oder Deutschland Munition, die vor 20 Jahren mal aus der Schweiz kam. Wir finden, das müsste bei klarer Verletzung des Völkerrechts gehen – und wenn eine Demokratie betroffen ist, die auch unsere Werte verteidigt.

Konkret: Waffen und Munition von der Schweiz in die Ukraine?

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Jürg Grossen sagt dazu:

«Wir möchten das diskutieren und sind nicht bereit, jetzt schon zu sagen, wie weit es dann genau geht. Aktuell können wir gar nichts liefern, das ist nicht gut. Auch in vergangenen Kriegen hat es Situationen gegeben, in denen man indirekt Munition geliefert hat in Gebiete, wo Kriege geführt wurden. Es darf natürlich auch nicht sein, dass es plumpe Umgehungen gibt. Wenn man sieht, dass zum Beispiel Schweizer Waffen in Saudi-Arabien landen, dann ist das nicht in unserem Sinn. Deshalb haben wir auch geholfen, das Waffenexport-Gesetz zu verschärfen. Wir müssten viel eher unterscheiden: Wohin gehen die Lieferungen, und was haben wir dort für eine Ausgangslage? »

Wenn Sie davon reden, Waffen an Demokratien zu liefern, stellt sich die Frage: Ist denn die Türkei für Sie zum Beispiel noch eine Demokratie? Wer definiert das?

Eine berechtigte Frage. Das muss fallweise entschieden werden. Wir haben im Moment einfach eine explizite Schwarz-Weiss-Situation in einer Welt, die viele Grautöne hat. Wir müssen bereit sein, in diese Grautöne abzutauchen. Ohne jetzt eine extremistische Forderung zu stellen: Wir wollen sicher nicht Angriffswaffen irgendwohin liefern. Aber Verteidigungswaffen, um jemandem zu helfen, der sich auf seinem eigenen Territorium verteidigen muss – das scheint uns diskutierbar.

Das Gespräch führte Eveline Kobler.

Samstagsrundschau, 11.6.2022, 11:30 Uhr;

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