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Demokratie in der Gemeinde Wo ein Parlament punktet – und was die Gemeindeversammlung taugt

Gemeindeversammlung oder Parlament? Diese Frage spaltet das Luzernische Sursee. Was spricht dafür, was dagegen? Das Wichtigste in Kürze.

Worum geht's? Die Stimmberechtigten der Stadt Sursee im Kanton Luzern entscheiden am 9. Juni an der Urne, ob sie ein Stadtparlament einführen – und somit die Gemeindeversammlung abschaffen. Lanciert hat die Diskussion ein überparteiliches Komitee mit der Gemeindeinitiative «Zur Einführung eines Stadtparlaments». Dafür Unterschriften gesammelt haben die Ortsparteien Grüne, GLP, FDP und SVP. Die SP unterstützt das Begehren, die Mitte stellt sich dagegen. Die Gemeindeexekutive von Sursee, der Stadtrat, lehnt die Initiative ebenfalls ab.

Wie ist es heute geregelt? Aktuell fällt Sursee viele Entscheide an der Gemeindeversammlung. Urnenabstimmungen sind möglich, wenn dies zwei Fünftel der Teilnehmenden verlangen. Oder wenn es beispielsweise um Kredite geht, die 3.5 Millionen Franken übersteigen.

Menschen halten an einer Versammlung die Hände in die Höhe.
Legende: Sursee hat bald 11'000 Einwohnerinnen und Einwohner. An Gemeindeversammlungen nehmen im Schnitt aber jeweils nur zwei Prozent der Stimmberechtigten teil. (Symbolbild) Keystone/Urs Flüeler

Wie sähe der Modellwechsel aus? Den Initiantinnen und Initianten schwebt ein Parlament mit 30 Mitgliedern vor. Erstmals soll dieses im Jahr 2028 tagen. Die direkte Mitwirkung der Stimmberechtigten soll beispielsweise via Volksmotion weiterhin gewährleistet sein.

Luzern hat aktuell vier Parlamente

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Aktuell gibt es im Kanton Luzern in den vier grössten Gemeinden ein Parlament: In der Stadt Luzern (48 Sitze), in Emmen (40 Sitze), in Kriens (30 Sitze) und in Horw (30 Sitze). Im September in kommt Ebikon – der fünftgrössten Gemeinde mit über 14'000 Einwohnerinnen und Einwohnern – ein weiteres Parlament mit 30 Sitzen hinzu.

Was spricht für ein Parlament? Sursee hat gut 10'800 Einwohnerinnen und Einwohner – aber nur ein Bruchteil davon bestimmt mit: Im Schnitt besuchen gerade mal zwei Prozent der Stimmberechtigten die Gemeindeversammlung. Daran schuld ist laut Komitee nicht nur Politikverdrossenheit: Auch praktische Gründe wie Betreuungspflichten oder Schichtarbeit könnten Stimmberechtigte an der Teilnahme hindern. Das Initiativkomitee ist daher der Ansicht, politische Entscheide wären in einem Parlament breiter abgestützt. Und auch das Risiko einseitiger Mobilisierung fiele weg.

Was kann die Gemeindeversammlung besser? Stimmberechtigte können sich zu Wort melden und vor Ort Anträge einbringen. Die direkte Debatte samt Austausch von Argumenten sieht der Stadtrat von Sursee als grosses Plus der Gemeindeversammlung. Seiner Meinung nach ist dieses Modell auch vergleichsweise günstig: Pro Jahr gibt es in Sursee maximal vier Gemeindeversammlungen, was zu Kosten von maximal 60'000 Franken führt. Für den Betrieb eines Parlaments rechnet die Stadt mit jährlichen Ausgaben von rund einer halben Million Franken.

Wie verfahren andere Schweizer Gemeinden? Rapperswil-Jona (SG) mit gut 28'000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist die grösste Gemeinde, die noch eine Gemeindeversammlung hat. Ein Kontrabeispiel ist Ilanz/Glion: Die Bündner Kommune mit 5200 Einwohnerinnen und Einwohnern hat ein 25-köpfiges Gemeindeparlament. Im Aargauischen Buchs wiederum wird das dortige Parlament, der Einwohnerrat, aktuell gerade hinterfragt: Die örtliche SVP hat eine Initiative lanciert, um zur Gemeindeversammlung zurückzukehren. Der 40-köpfige Rat politisiere am Volk vorbei – und Buchs mit rund 8500 Einwohnerinnen und Einwohnern sei zu klein für ein Parlament, so die Begründung.

Was sagt die Forschung? Gemäss einer Auswertung von Politologe Andreas Ladner aus dem Jahr 2016 führen rund 20 Prozent der hiesigen Gemeinden Parlamente. Ein Drittel davon fällt auf den Kanton Waadt. Stark verbreitet sind Parlamente vor allem in der Westschweiz und im Tessin sowie in grösseren Gemeinden. Ladner schreibt: «Gemeindeversammlung und Gemeindeparlament haben ihre Stärken und Schwächen und es lässt sich nicht nachweisen, dass das eine System dem anderen in allen Belangen überlegen wäre.»

Weiterführende Informationen

Regionaljournal Zentralschweiz, 5.3.2024, 06:31 Uhr ; 

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