Das Bundesverwaltungsgericht rügt den Nachrichtendienst (NDB), weil er bei der gesetzlich erlaubten Überwachung der Kommunikation mit dem Ausland auch rein inländische Kommunikation abhöre. Das verstosse gegen die Grundrechte, so das Gericht. Der Geheimdienst-Experte Schmidt-Eenboom erklärt, wie Abhören überhaupt geht.
SRF News: Wie funktioniert das Abhören der Kommunikation durch den NDB konkret?
Erich Schmidt-Eenboom: Nachrichtendienste nutzen bei der Überwachung der Telekommunikation sogenannte Selektoren. Damit können Telefongespräche, Faxe, E-Mails oder ähnliches mit konkreten Suchbegriffen durchsucht werden. Das dürfte der NDB künftig unterlassen müssen, wenn ein Schweizer Absender an der Kommunikation beteiligt ist. Das gilt auch, wenn Schweizer mit dem Ausland kommunizieren.
Der NBD wird von Hand nachbessern müssen – ein erheblicher Aufwand.
Technisch kann man das sicherstellen, indem man bestimmte Selektoren bei Schweizern blockiert oder Schweizer Absenderadressen einfach technisch ausschaltet. Schwieriger wird es, wenn Schweizerinnen beispielsweise E-Mail-Adressen nutzen mit einer Endung wie .org. Da wird der NDB von Hand nachbessern müssen. Das bedeutet natürlich einen erheblichen Aufwand.
Welche Folgen hat das für den Schweizer Nachrichtendienst?
Es gibt da zwei Gefahren: Zum einen könnten Ausländer, die in der Schweiz leben und mit dem Ausland kommunizieren, sich einen «Leih-Schweizer» mieten. Sie könnten so ihre Kommunikation über einen Schweizer Staatsbürger abwickeln, die dann automatisch fürs Abhören blockiert würde. Ein Ausländer könnte so verdeckt aus der Schweiz heraus operieren.
Es wird für den NDB viel schwieriger, illegalen Exporten auf die Schliche zu kommen.
Zum anderen umfasst das Abhörverbot auch Schweizer Firmen. Es wird für den NDB viel schwieriger, beispielsweise illegalen Exporten aus der Schweiz auf die Schliche zu kommen. Man denke da etwa an elektronische Bauteile, die nicht nach Russland exportiert werden dürfen.
Schränkt dieses Urteil die Tätigkeiten des NDB weitreichend ein?
Genau. Aber nicht nur das: Es bedeutet auch eine Einschränkung beim Austausch mit nachrichtendienstlichen Partnern anderer Länder. Diese erhalten beispielsweise Hinweise vom NDB auf illegale terroristische Aktivitäten oder illegale Rüstungsexporte. Das Ansehen des NDB bei den ausländischen Nachrichtendiensten könnte durch den eingeschränkten Austausch nachhaltig geschwächt werden. Und: Je weniger Informationen der NDB den Partnern geben kann, desto weniger Informationen kann er von ihnen erwarten.
Nachrichtendienste sind vielfach geneigt, auch eigene Staatsbürger abzuhören.
Kann überhaupt Nachrichtendienst betrieben werden, ohne die Grundrechte zu verletzen?
Nein, das geht eigentlich gar nicht. Nachrichtendienste müssen immer mindestens die Grundrechte von ausländischen Staatsbürgern missachten. Und sie sind vielfach auch geneigt, das bei eigenen Staatsbürgern zu tun. Das betrifft insbesondere die US-Nachrichtendienste – obwohl sie es immer leugnen –, oder auch die britischen. Aber ihr Auftrag ist viel grösser, wenn sie auch die eigenen Staatsbürger bei deren Telekommunikation mit dem Ausland überwachen können.
Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.