Früher reisten Dialektforscher mit Aufnahmegerät und Fragebögen durch die ganze Schweiz und haben Dialektproben gesammelt. Heute geht das einfacher: Forscherinnen und Forscher der Uni Zürich haben eine App entwickelt. Sie heisst «Nöis Gschmöis» und liefert den Forschenden laufend Daten zum aktuellen Dialekt. Noch gibt es keine abschliessenden Erkenntnisse. Klar ist, das Schweizerdeutsche ist wichtig für die Identität. Bei der neusten Forschung zählt auch, was die Frauen sagen. So funktioniert die Dialektforschung, in fünf Punkten.
1. «Jungi Fraue statt alti Manne»
Der Sprachatlas der Deutschschweiz ist detailliert, aber veraltet. «Wir wissen sehr viel über das Schweizerdeutsche. Aber wir wissen vor allem, wie es im letzten Jahrhundert gesprochen wurde. Man hat vor allem ältere Männer befragt, die am selben Ort gewohnt haben», sagt Anja Hasse, Professorin für germanistische Linguistik an der Uni Zürich. Heute sei die Gesellschaft mobiler. Deshalb fragen sich die Forschenden: Ändern sich mit der Mobilität auch die Dialektunterschiede?
2. «Zwenig Münz fürs Billet»
Ost-West-Gegensätze zum Beispiel gibt es beim Dialekt nicht nur schweizweit, sondern auch innerhalb des Aargaus: «Ich ha zwenig Münz zum es Billet löse» (Ostaargau-Variante) oder «ich ha zwenig Münz für es Billet zlöse» (Westaargau-Variante). Heutzutage sagen Gewisse auch «ich ha zwenig Münz, um es Billet zlöse» (Deutsche Variante). So oder so gelte auch für das Schweizerdeutsch: Sprache ist immer im Wandel. In jedem Fall sei das Schweizerdeutsche für Kultur und Identität wichtig, weiss Dialektforscherin Anja Hasse von der Uni Zürich.
3. «Wie loht mer de Schriner lo cho?»
Im Schweizerdeutschen sind Satzstrukturen eher stabil: «Der Wortschatz ändert sich sehr schnell. Wir übernehmen Wörter aus dem Englischen oder Deutschen. Aber Satzstrukturen ändern sich nicht so schnell», sagt Dialektforscherin Anja Hasse. Genau das möchte man mit dem Forschungsprojekt aufzeigen. Ein Beispiel: Wie bestellt jemand den Schreiner? «Er laat de Schriiner cho», oder «er laat la de Schriiner cho»? Genau solche Fragen muss man auf der App beantworten. Am Schluss seien die Antworten immer eine Momentaufnahme, weiss Forscherin Anja Hasse. Je mehr Daten gesammelt werden, desto genauer wird das Dialektbild.
4. «5 Manne oder 5 Männer»?
Beim Dialekt geht es auch um Generationenunterschiede: «Ich sage Männer«, sagt eine junge Frau, die bei einem Workshop an der Neuen Kantonsschule Aarau dabei ist. «Männer» oder eher «Menner»? fragt sich ihre Kollegin. «Manne» heisst das, würden andere sagen. «Das hat sich doch verändert, bei der letzten Umfrage 2018 waren es noch Manne, heute Männer», ergänzt eine weitere Workshopteilnehmerin. «Definitiv können wirs noch nicht sagen. Aber die Daten zeigen, dass die 'Männer' auf dem Vormarsch sind», sagt Dialektforscherin Anja Hasse.
5. «Öpfel oder Öpfu»?
Die neue App der ETH Zürich stellt rund 100 Fragen. Sagt man «Öpfel» oder «Öpfu», «Epfel» oder «Epfu»? Und muss der Hund «folge» oder «fouge»? Wie ist beispielsweise das Schweizerdeutsch von jungen Frauen, deren Eltern aus dem Thurgau oder dem Kanton Bern stammen, oder die eine andere Muttersprache als Deutsch haben? Was macht dieser Hintergrund mit ihrem Dialekt? Auch das möchte das Forschungsprojekt aufzeigen. Die gesammelten Daten werden laufend auf einem Blog mit Karten veröffentlicht. Dort erfährt man zum Beispiel, was Obwalden und Basel gemeinsam haben: Genau, man sagt in beiden Kantonen «griezi»!