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Diamant aus Kremationsasche Erinnerungsdiamanten von Toten: Überteuerte Illusionen

Hersteller von Erinnerungsdiamanten können nicht beweisen, dass der Diamant aus der Asche Verstorbener stammt.

Die Zürcher Firma Lonité, gemäss Eigenwerbung weltweit führend in der Diamantenherstellung, schreibt: «Erinnerungsdiamanten sind echte Diamanten, die mithilfe des Kohlenstoffs aus der Kremationsasche gezüchtet werden.» Die Bünder Firma Algordanza garantiert im Zertifikat die Herstellung des Diamanten «ausschliesslich aus der übergebenen Kohlenstoffquelle» der Kremationsasche.

Bei beiden kostet ein individuell und als Einzelstück hergestellter, geschliffener Diamant je nach Grösse zwischen 5000 und 21'000 Franken. Das ist doppelt so viel wie ein vergleichbarer Diamant vom Juwelier oder zehnmal so viel wie ein künstlicher Diamant aus der Massenproduktion.

Herkunft des Kohlenstoffs lässt sich nicht belegen

Für die Produktion eines Diamanten brauche es gemäss Hersteller 500 Gramm Kremationsasche. In dieser Asche habe es noch ein paar wenige Gramm Kohlenstoff, der trotz hoher Temperaturen nicht verbrannt sei. Das sei die Basis, um in einer Diamantenpresse mit 1700 Grad Hitze und 70 Tonnen Druck einen Diamanten zu züchten.

Die Firmen Algordanza und Lonité

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Algordanza - Schweizer Wurzeln:

Die Firma hat ihr Domizil in Domat/Ems in Graubünden, wo sie auch alle Diamanten produziert. Algordanza besteht seit 2004, hat inzwischen 90 Angestellte und ist weltweit in 30 Ländern vertreten. Algordanza hat Tochterfirmen in den USA, im österreichischen Dornbirn und im deutschen Lindau. Die Firma produziert jährlich geschätzte 1000 Diamanten aus Kremationsasche.

Lonité - Schwindeln mit Swissness:

Lonité hat Filialen in der ganzen Welt, wirbt auf der Homepage aber auffällig mit dem Schweizerkreuz und Swissness-Slogans wie «Schweizer Ursprung» oder «Schweizer Geschichte von Präzision und Qualität». Der Hauptsitz sei in Zürich an der prestige-trächtigen Bahnhofstrasse. Gemäss Recherchen des «Kassensturz» bucht Lonité hier nur sporadisch ein Sitzungszimmer für Kundengespräche. Kein Wunder, gibt es an der Adresse weder ein Firmenschild noch eine Klingel.

Noch seltsamer: Der Schweizer Vertreter von Lonité behauptete gegenüber «Kassensturz» am Telefon, die Diamanten würden in Zug produziert. Doch im Haus an der Zuger Bahnhofstrasse hat Lonité lediglich einen Briefkasten, zusammen mit rund 300 anderen Briefkastenfirmen.

Das Management von Lonité schreibt «Kassensturz»: Der Kundenberater sei nicht berechtigt gewesen, Auskunft zu geben. Zug sei nicht der Produktionsort. «Kassensturz» weiss: Die Swissness-Werbung von Lonité ist ein Schwindel. Lonité produziert keine Diamanten in der Schweiz.

Pikant: Algordanza kann zwar mit Attesten nachweisen, dass es in der Kremationsasche noch die benötigten fünf Gramm Kohlenstoff hat. Doch weder sie noch Lonité können beweisen, dass dieser Kohlenstoff tatsächlich vom Verstorbenen stammt und nicht vom Sarg.

Wird Kohlenstoff hinzugefügt?

Das passt nicht zur Werbung von Algordanza, wonach der Erinnerungsdiamant «einzig aus dem Kohlenstoff eines geliebten Verstorbenen» stammt. Frank Ripka, Co-Geschäftsführer von Algordanza sagt: «Da war die Kommunikation ungenau in der Vergangenheit.» Man habe das nun geändert, indem man verstärkt über «Kohlenstoffquelle» spreche. Algordanza sei mit dieser Kritik bisher nicht konfrontiert worden, wolle sie aber zukünftig «in der Kommunikation einarbeiten».

Hersteller von künstlichen Diamanten und Edelstein-Analytiker bezweifeln sogar generell, dass es in der Asche genügend Kohlenstoff für die Produktion der Diamanten hat. Auch Michael S. Krzemnicki, Direktor des schweizerischen gemmologischen Instituts, das weltweit bekannt ist für seine Edelsteinanalytik, hat Bedenken: «Ich kann mir vorstellen, dass Kohlenstoff zugemengt wird. Das müsste man aber sicher unabhängig wissenschaftlich prüfen. Das haben wir noch nicht gemacht.»

Kassensturz, 26.05.2020, 21.05 Uhr

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