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Die Sicht des Ökonomen Lohnabgaben vs. Mehrwertsteuer: Wer soll die 13. AHV bezahlen?

Der Ökonom Marius Brülhart über das Für und Wider der Finanzierungsvarianten für die 13. AHV-Rente.

Der Bundesrat schlägt zwei Varianten für die Finanzierung der 13. AHV vor: Entweder nur über höhere Lohnabgaben – oder mit einer Mischung aus Lohnabgaben und einer höheren Mehrwertsteuer. Welche Variante ist aus Sicht eines Wirtschaftsexperten die Bessere? «Für beide Optionen gibt es Für und Wider», sagt Marius Brülhart, Ökonom an der Universität Lausanne.

Die Finanzierung über Lohnprozente: Die Umverteilung wirkt laut dem Wirtschaftsprofessor bei dieser Form der Finanzierung doppelt, denn die höheren Einkommen werden stärker als die mittleren und tiefen Einkommen belastet. Aber: Die jüngeren Generationen werden viel stärker belastet; die älteren, die nicht mehr oder weniger lange arbeiten bis zur Pensionierung, dagegen weniger oder gar nicht. Kritikerinnen und Kritiker orten hier eine Generationenungerechtigkeit.

Die Finanzierung über die Mehrwertsteuer: Hier finanzieren alle Altersgruppen die 13. AHV-Rente mit – inklusive der Rentnerinnen und Rentner. Der Nachteil: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer trifft die mittleren und tiefen Einkommen härter. Denn: Wenn Waren und Dienstleistungen mehr kosten, belastet das Vermögende weniger stark als Menschen, die mehr aufs Geld schauen müssen.

Bundesrat will Bundesanteil an AHV senken

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Zur Finanzierung der 13. AHV-Rente sollen die Lohnbeiträge und allenfalls die Mehrwertsteuer erhöht werden – zusätzliche Steuergelder aus dem Bundesbudget sollen dafür aber nicht verwendet werden. Der Bundesrat will seinen Finanzierungsanteil senken, wenn die Rente steigt. So würde der Bundesbeitrag bei höherer Rente gleich bleiben, aber anteilmässig weniger Geld aus der Bundeskasse in den AHV-Topf fliessen.

«Politisch ist das ein bisschen ein Trick», sagt Ökonom Marius Brülhart. Im Abstimmungskampf habe die Gegnerschaft gewarnt, dass die 13. AHV-Rente den ohnehin angespannten Bundeshaushalt weiter belasten würde. «Nun stiehlt sich der Bundesrat heraus, indem er sagt: An der 13. AHV-Rente zahlen wir nicht mit.»

Das Fazit des Ökonomen: Aus ökonomischer Sicht lasse sich nicht objektiv sagen, welche Finanzierungsart die bessere wäre, stellt Brülhart klar. «Beide haben Vor- und Nachteile. Ein Mix von höheren Lohnangaben und einer höheren Mehrwertsteuer ist daher vielleicht gar keine so schlechte Lösung.» Grundsätzlich begrüsst Brülhart, dass der Bundesrat schon wenige Wochen nach der Abstimmung konkrete Umsetzungsvorschläge vorlegt. «Das Volk wünscht sich diese 13. AHV-Rente – und der Bundesrat geht davon aus, dass man sie vollumfänglich finanzieren könnte.» Das sei «ehrlich und redlich» von der Landesregierung und Ausdruck einer gesunden Haushaltsführung.

Geteiltes Echo auf Umsetzungsvorschläge

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Die Gewerkschaften und die SP möchten die 13. AHV-Rente ausschliesslich über die Lohnabgaben finanzieren, was bürgerliche Parteien und Arbeitgeber-Verbände ausdrücklich ablehnen, weil das auf Kosten der Erwerbstätigen gehe. Auf linker Seite wiederum gibt es grosse Skepsis gegenüber einer höheren Mehrwertsteuer, weil das Personen mit geringem Einkommen übermässig belaste.

Der Reformdruck bleibt: Die Finanzierung der Altersvorsorge wird die Politik weiter beschäftigen. Bis Ende 2026 soll der Bundesrat Vorschläge für die nächste grössere AHV-Reform ausarbeiten. Die Frage sei durch die Annahme der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente umso dringlicher geworden, schätzt Brülhart: «Darum finde ich es redlich zu sagen, dass die 13. AHV vom ersten Tag weg voll gegenfinanziert werden soll.»

Frau auf Bank.
Legende: Der Reformdruck auf die AHV bestehe ohnehin – und würde durch die volle Gegenfinanzierung der 13. AHV-Rente nicht noch zusätzlich geschürt, schliesst der Volkswirtschaftler. Keystone/Ennio Leanza

Die Zukunft der AHV: Derzeit liegen diverse Vorschläge auf dem Tisch, wie die AHV langfristig gesichert werden kann – unter anderem das Modell der «Lebensarbeitszeit» . Die Idee: Wer früher zu arbeiten beginnt, soll früher in Rente. Ein solches Modell wäre für Brülhart interessant. Und: Unausweichlich sei auch, dass das Rentenalter wieder ein Thema wird – das ergebe sich schlicht aus der demografischen Entwicklung.

SRF 4 News, 28.03.2024, 11:03 Uhr ; 

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