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Die Virenjäger von Bern Schweizer Wissenschaftler sind dem Coronavirus auf der Spur

Die Fallzahlen steigen, die Sorge vor Mutationen wächst. Doch Forscher warten nicht zu, sondern leisten Vorarbeit.

Er ist der wahre Mister Corona: Seit den 1990er-Jahren erforscht Professor Volker Thiel an der Universität Bern das Coronavirus, heute als Chef der Abteilung Virologie am Institut für Virologie und Immunologie. Dank jahrelanger Vorarbeit gelang es ihm und einem Kollegen, bereits im Frühjahr 2020 den ersten Klon von Sars-CoV-2 herzustellen. Das geklonte Material ermöglichte weltweit die rasche Herstellung eines Impfstoffes.

Viren sind winzig, das Coronavirus hingegen ist zumindest in der Vorstellung des Virologen Thiel ein grosses Transportmittel: «Das ist ein ausgefeilter VW-Bus mit vielen Funktionen. Es gibt viel einfachere Viren.» Anders als ein Auto kann sich das Virus selber reparieren, denn Mutationen sind eigentlich Fehler. Aber auf die Reparaturmaschine ist kein kompletter Verlass, immer wieder kann einer dieser Fehler entkommen und verlängert dann als mutierte Variante des Virus die Pandemie.

Wir wollen die Strategie so wählen, dass sie auch in zehn Jahren noch anwendbar ist.
Autor: Volker Thiel Chef der Abteilung Virologie, Universität Bern

Sobald die meisten Leute geimpft oder genesen sind, werde Corona nicht mehr viel mehr als eine Grippe sein, sagt Thiel. Das aber könne noch lange gehen, weil das Impfen stockt und die Fallzahlen wieder gestiegen sind. Deshalb geht der Forscher mit seinem Team bereits einen Schritt weiter: «Wir sind gerade dabei, das Virus aufgrund der vorherigen Kenntnisse und Forschungsarbeiten abzuschwächen.» Das Ziel: Bestimmte Funktionen sollen identifiziert und aus dem Virus herausgenommen werden, damit aus dem gefährlichen ein ungefährliches Virus wird.

Mit diesen Grundlagen könnte ein sogenannter Lebendimpfstoff entwickelt werden. Dieser enthält abgeschwächte Viren, die sich meistens noch vermehren können, aber keine Erkrankung mehr auslösen. Mit seiner Forschung verfolgt Thiel ein langfristiges Ziel: «Wir wollen die Strategie so wählen, dass sie auch in zehn Jahren noch anwendbar ist, wenn noch einmal ein Coronavirus kommen sollte.»

Zum Vorausdenken gehört auch zu wissen, welche Viren in den nächsten Jahren gefährlich werden könnten. Der Klimawandel bringe neue Viren mit sich und darauf wollen Thiel und sein Team vorbereitet sein.

Bundeseigene Forschungsanstalt im bernischen Mittelhäusern
Legende: Geforscht wird in der bundeseigenen Forschungsanstalt im bernischen Mittelhäusern. Es ist das einzige Hochsicherheitslabor in der Schweiz, in welchem die Virenjäger hochansteckende Tierseuchen wie die Maul- und Klauenseuche erforschen. Und seit über einem Jahr sehr intensiv das Coronavirus. Ruth Wittwer/SRF

In der Garderobe Im Innern des unscheinbaren, flachen Baus inmitten grüner Wiesen zieht man sich zuerst einmal aus. Nach mehreren Sicherheitsschranken und Kleiderwechseln steht man im Hochsicherheitsbereich. Hinter schmalen Metalltüren mit Bullaugen-artigen Gucklöchern untersuchen zwei Forscher in virensicherer Astronautenmontur zwei Mäuse.

Beide Tiere wurden mit dem Virus infiziert. Sie lieferten den Expertinnen und Experten nun wichtige Hinweise, sagt die Leiterin des Instituts, Barbara Wieland: «Wenn man weiss, dass eine Virus-Variante vor allem auf das Lungengewebe geht, kann man verstehen, welches Medikament man am besten einsetzen könnte.»

Barbara Wieland, Leiterin des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI)
Legende: Barbara Wieland, Leiterin des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI) Ruth Wittwer/SRF

Die höheren Ansteckungszahlen und damit die Gefahr neuer Varianten beobachtet Wieland mit Sorge. Deshalb experimentieren die Forscher im Hochsicherheitslabor aktuell auch in sogenannten Konkurrenzverfahren: Mäuse werden gleichzeitig mit zwei verschiedenen Corona-Varianten infiziert. «Das hilft uns zu verstehen, welche Variante stärker ist und die andere verdrängt.»

Mit dieser Grundlagenforschung will das Labor bereit sein für neue Varianten des Virus: «Es geht darum, die Mechanismen der verschiedenen Varianten zu verstehen – dass man weiss, was man machen kann, wenn eine neue Variante kommt.» Sobald etwa die Variante Lambda aus Peru für die Schweiz gefährlich werden könnte, werde auch dieser Mutant gründlich angeschaut, sagt Wieland. Bis jetzt war das noch nicht nötig.

Schutzausrüstung für das Labor.
Legende: Das Betreten der einzelnen Labore erfordert diese astronautenähnliche Montur. Bevor man den Hochsicherheitsbereich verlässt, muss man gründlich duschen. Mindestens zweimal einseifen von Kopf bis Fuss und dreimal spülen, das ist die Vorschrift. Nichts darf hinein- und nichts hinausgetragen werden. Vor allem keine der hier untersuchten Viren. Ruth Wittwer/SRF

Rendez-vous, 02.08.2021, 12:30 Uhr

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