Das Experiment: 69 Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums im niederösterreichischen Gänserndorf haben während drei Wochen vollständig auf ihr Smartphone verzichtet. Für den Versuch im Rahmen einer «Dok 1»-Sendung des Österreichischen Rundfunks (ORF) schrieben sie in Offline-Tagebüchern auf, wie sie den Verzicht auf Tiktok, Instagram und weitere soziale Medien im Alltag erlebt und verkraftet haben.
Die erste Woche: In der ersten Woche berichteten rund drei Viertel der Schülerinnen und Schüler von Beschwerden wie Schlafstörungen, innerer Unruhe, Kopfschmerzen und Übellaunigkeit. Alles Symptome, die aus der Literatur bekannt sind. Dennoch habe die Intensität der Entzugserscheinungen erstaunt, sagt Psychologe Oliver Scheibenbogen vom Anton-Proksch-Institut in Wien, der das Experiment begleitet hat. Die Schwierigkeit, sich vom Handy zu lösen, habe Werte deutlich über der Norm ergeben und zeige die Risiken einer Abhängigkeitserkrankung durch das intensive Nutzungsverhalten.
Die Wirkung: Nach ungefähr einer Woche legten sich laut Scheibenbogen auf einmal bei den Teilnehmenden die Beschwerden und die positiven Effekte überwogen. «Sie berichteten von mehr sozialer Interaktion auf persönlicher Ebene, mit Freunden, mit Familie, mehr Naturerlebnissen, also mehr Erlebnissen in der Realität», so der Psychologe: «Viele haben deutlich geschildert, wie sich ihr psychisches Wohlbefinden stark verbesserte und depressive Symptome deutlich weniger wurden, wenn man auf das Handy verzichten kann.»
Nach dem Experiment: Als die Jugendlichen nach drei Wochen ihr Smartphone wieder aktivierten konnten, blieb offensichtlich von den positiven Erlebnissen etwas hängen. Laut Scheibenbogen nahmen sich viele vor, künftig deutlich weniger am Handy hängen zu wollen und vor allem die sozialen Medien weniger zu benutzen. «Einige löschten etwa Tiktok und Instagram und behielten nur Whatsapp – um sich in der Realität verabreden zu können», berichtet der Psychologe. Auch bei einer Nachbefragung nach sechs Wochen seien die positiven Effekte des zeitweiligen Handy-Verzichts noch immer deutlich nachweisbar gewesen.
Die Lehren: Scheibenbogen spricht sich für ein Handyverbot an Schulen aus. Ein generelles Handyverbot für Jugendliche wäre nach seinen Worten aber zwiespältig und mit Vorsicht zu geniessen. Viel wichtiger sei es, Medienkompetenz zu vermitteln, um der Reizüberflutung etwas entgegenzusetzen. «Zurzeit sind wir in einer Situation, wo eher das Handy über uns bestimmt, statt wir über das Handy», stellt Scheibenhagen fest. Schulen rät er, sein Experiment zu kopieren, damit Jugendliche die positiven Seiten des Handy-Verzichts erleben und den richtigen Umgang mit dem Gerät lernen können.