Mitten in der stark verschmutzten Zone in der Lausanner Innenstadt liegt das Haus von Cathy Barthélémy-Frey und Bruno Barthélemy. Im Garten hat die gebürtige Baslerin jahrzehntelang Gemüse angepflanzt, bis die Hiobsbotschaft von der Dioxin-Verschmutzung eintraf. «Man sieht noch die Himbeeren, die weiterwachsen, die Vögel mögen diese Himbeeren sehr. Im Garten hatte es aber viel mehr Gemüse, etwa Zwiebeln oder Kürbisse.»
Gerade vom Verzehr von Kürbissen rät die Stadt Lausanne heute ab, sie nehmen das Dioxin besonders gut auf. Tatsächlich haben die 68-Jährige und ihr Mann haben eine erhöhte Dioxin-Konzentration im Blut, wie Tests ergeben haben. Den Garten nutzen sie nicht mehr.
Im Paradies ist es unheimlich geworden
Stets habe sie gedacht, in einem Paradies zu leben. Ein unheimliches Glück sei dieses Haus mitten in der Stadt Lausanne für sie gewesen. «Und jetzt ist es eher unheimlich», sagt Cathy Barthélemy-Frei. Sie macht sich Sorgen um ihre Kinder, die lange hier gelebt und das Gemüse und die Früchte gegessen hätten.
Lausanne steht vor einer fast unmöglichen Aufgabe: Eigentlich müssten auf den über 3000 betroffenen Parzellen in der Innenstadt die obersten 30 bis 50 Zentimeter der Erdschicht entsorgt werden. Denn Dioxin zersetzt sich über die Zeit nur ganz langsam, die Böden bleiben verschmutzt.
Sanieren ist Pflicht, aber wie?
Es fehlen aber die Entsorgungskapazitäten, um so viel Erde abzutragen. Und es gibt zu wenig neue Erde, um die abgetragenen Böden zu ersetzen. Deshalb suchen die Stadt Lausanne und der Kanton Waadt neue Wege, wie die verschmutzten Böden gereinigt werden könnten.
Im Auftrag des Kantons Waadt wird in Chavornay VD geforscht, ob die Dioxin-verschmutzten Böden mithilfe von Bakterien gereinigt werden könnten. Im Industriegebiet zeigt Direktor Davide Städler im Labor der Firma Tibio Lab ein Mikroskop. Zu sehen sind viele kleine Punkte auf einer Glasplatte. Es sind Tausende von Bakterien.
50 Prozent weniger in einem Monat
Die Bakterien stammen aus den betroffenen Böden und sind nicht gefährlich für die Gesundheit. Sie können das Dioxin aufnehmen. «In einem Monat bauen sie 50 Prozent des Dioxins ab», sagt Städler. Dieser Wirkungsgrad von 50 Prozent unter Laborbedingungen reicht noch nicht für eine Sanierung – die Bakterien müssten über 90 Prozent des Dioxins abbauen.
Die Versuche sind vielversprechend, ob die Bakterien aber auch im Feldversuch das Dioxin abbauen oder sich eher für eine andere Nahrung interessieren würden, ist noch offen. Die Waadt erprobt auch andere Reinigungsmethoden. So wird die Erde erhitzt oder mit chemischen Substanzen gereinigt – Das ist Pionierarbeit. An anderen mit Dioxin verschmutzten Orten wie der Josefwiese in Zürich wird die Erde abgetragen und ersetzt.
Anwohner müssen noch Jahrzehnte warten
Isabelle Proux ist beim Kanton Waadt für das Dioxin zuständig. Diese Lösungen kämen nicht morgen, sondern bräuchten einen Zeitrahmen von rund 20 Jahren, sagt sie.
Für Cathy Barthélémy-Frey und ihren Garten in Lausanne dauert das zu lange. «Es ist zu viel für uns, wir können nicht so lange warten.» Sie wüssten aber auch nicht, was mit diesem Haus passiere, wenn sie weggehen würden. «Niemand möchte dieses Haus, niemand möchte diesen Garten», sagt die betroffene Anwohnerin. Die Dioxin-Verschmutzung wird Lausanne noch jahrzehntelang beschäftigen.