Ihr Alltag ist durchgetaktet. Einen Termin für ein Gespräch mit den beiden Zwillingsschwestern zu erhalten, ist gar nicht so einfach. Shaienne und Leandra Zehnder sind kaum zurück von den FIS-Rennen in Corvatsch (GR), schon steht bereits die Abreise nach Tschappina (GR) auf dem Programm.
Ein paar Stunden bleiben den Zwillingen in Spiez, wo die Familie eine Ferienwohnung hat. Leandra hat jedoch noch eine Fahrstunde, die beiden wurden Ende Januar 18 Jahre alt – dazwischen steht das Gespräch mit SRF News an.
Die Zwillinge stellen sich vor: «Wir sehen wirklich nicht gleich aus, aber die Lehrerinnen und Lehrer verwechseln uns öfter», sagt Shaienne. Ihre Zwillingsschwester Leandra ergänzt mit einem Schmunzeln: «Wir haben auch schon die falschen Zeugnisse erhalten.» Das sei nicht schlimm, sie reagierten auf beide Namen. Die Zwillinge besuchen gemeinsam eine Sportschule und machen die KV-Lehre.
Ähnlich und doch nicht gleich
Unterscheiden würden sie sich auch vom Charakter her: «Leandra ist lockerer, sie steckt Niederlagen rasch weg. Sie ist mental stark.» Und sie könne vielleicht etwas geduldiger sein. Umgekehrt meint Leandra: «Shaienne ist sehr selbstbewusst – vor allem im Skifahren. Sie ist willensstark.» Dafür könne sie nicht so gut verlieren.
Genau gleich beschreiben sie jedoch den nervigsten Charakterzug der jeweils anderen: «Manchmal ist sie launisch», sagen beide voneinander.
Skitalent im Doppelpack
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Bild 1 von 6. Shaienne und Leandra Zehnder fahren Ski, seit sie zweieinhalb Jahre alt sind. Bildquelle: zvg.
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Bild 2 von 6. Aufgewachsen sind sie in Walterswil (BE). Dort gibt es nur einen kleinen Skilift. Die grösseren sind mindestens eine Stunde entfernt. Bildquelle: zvg.
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Bild 3 von 6. Bereits ihr Vater war Skirennfahrer und schaffte es bis ins Nationalale Leistungszentrum. Dort sind die Zwillinge jetzt auch. Bildquelle: zvg.
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Bild 4 von 6. Sie möchten jedoch weiter: Als nächstes ins C-Kader. Da ist die finanzielle Unterstützung durch den Skiverband grösser. Bildquelle: zvg.
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Bild 5 von 6. Damit sie von klein auf so viel Skifahren können, hilft die ganze Familie mit. Bildquelle: zvg.
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Bild 6 von 6. Der Alltag ist seit jeher stark durch das Skifahren geprägt. Zwischendurch gehört aber auch eine Auszeit dazu. Bildquelle: zvg.
Es gibt kaum einen Tag, an dem sie nicht gemeinsam unterwegs sind. Eigentlich. Bis sich Shaienne Zehnder letztes Jahr zu Beginn der Saison den Unterschenkel brach. «Die ersten Monate waren nicht einfach. Ich war eifersüchtig und habe oft geweint.»
Plötzlich war ich alleine.
Auch für ihre Zwillingsschwester war es keine einfache Zeit. «Plötzlich war der Mensch, den du immer siehst, weg, und ich alleine auf mich gestellt. Alleine arbeiten, alleine in die Schule, alleine trainieren.» Das habe sie psychisch mitgenommen.
Als sie sich aber damit abgefunden habe, kam ein grosser Erfolg: Leandra gewann in Argentinien am Südamerika-Cup den Riesenslalom. «Es war plötzlich schön, nicht immer alles zusammen zu machen. Ich habe viel gelernt.»
Sie wechseln sich ab: Nach Leandra feierte Shaienne Erfolge
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Bild 1 von 3. Während Shaienne erst zusehen musste, wie ihre Schwester Medaillen holte …. Bildquelle: EPA/Jonathan Nackstrand for OISIOC.
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Bild 2 von 3. … räumte sie an den Olympischen Jugendspielen wieder selbst ab. Bildquelle: EPA/Jonathan Nackstrand for OISIOC.
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Bild 3 von 3. Shaienne Zehnder gewann Silber im Riesenslalom und Bronze im Super-G. Bildquelle: EPA/Jonathan Nackstrand for OISIOC.
Umgekehrt war es später Leandra, die zusehen musste, wie Shaienne an den Olympischen Jugendspielen in Südkorea zwei Medaillen holte. Silber im Riesenslalom, Bronze im Super-G. Leandra verpasste die Qualifikation knapp.
Wie ist das, wenn die Zwillingsschwester besser ist? «Sie ist eine Konkurrentin, aber ich schaue das nicht so an», sagt Leandra. «Ich bin nicht eifersüchtig, wenn sie besser ist.» Wenn die eine gewinne, sei es für die andere auch ein Erfolg. «Ich bin froh, können wir den Weg gemeinsam gehen», sagt Shaienne. Es sei eher ein Vorteil: Sie könnten sich gegenseitig unterstützen.
Das grosse Ziel ist Olympiagold oder der Gesamtweltcupsieg.
Und so wollen sie einander anspornen, um den Sprung ins C-Kader zu schaffen. Das wäre eine finanzielle Entlastung für die Zwillinge. Das C-Kader ist jedoch nur ein Zwischenziel. «Das ganz grosse Ziel ist Olympiagold oder der Gesamtweltcupsieg», sagt Shaienne. Auch Leandra träumt davon, «aber es ist ein weiter Weg und ich nehme Schritt für Schritt.»
Was, wenn nur eine von den Zwillingen Profi-Skirennfahrerin wird? «Die Chance, dass wir es beide schaffen, ist ganz minim.» Hauptsache ein Zwilling schaffe es, erzählen Leandra und Shaienne – bevor sie sich wieder bereit machen, um an das nächste Rennen zu fahren.