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Drohende Versorgungslücke Hausärztemangel: Die Situation verbessert sich – langsam

  • Hausärztinnen und Hausärzte sind ein wichtiger Pfeiler des Schweizer Gesundheitswesens.
  • Sie sind für Patienten die erste Anlaufstelle und können in den meisten Fällen helfen, ohne dass ein Spezialist konsultiert werden muss.
  • Das Problem: Es gibt zu wenig Hausärzte, viele sind zudem im Pensionsalter. Eine neue Studie sieht nun positive Zeichen.

Gibt es in der Schweiz zu viele oder zu wenige Ärzte? Eine einfache Frage – ohne einfache Antwort. Sie hängt unter anderem davon ab, nach welchen Kriterien gemessen wird.

Eine Studie, die regelmässig vom Verband für die politischen Anliegen der Haus- und Kinderärzte in Auftrag gegeben wird, warnt schon länger vor einer drohenden Versorgungslücke bei den Hausärztinnen und Kinderärzten.

Überalterte Ärzteschaft

Erfragt wird dabei, wie zufrieden die Ärztinnen und Ärzte mit ihrer Arbeit sind, wie alt sie sind, und wie lange sie noch arbeiten wollen. Kombiniert mit der Zahl der Medizinstudierenden prognostizieren die Studienverfasser, ob es in der Schweiz eine allfällige Versorgungslücke gibt.

Imagewandel und weniger Stress

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Für die ermutigenden Aussichten macht Philippe Luchsinger, Präsident des Verbands der Haus- und Kinderärzte, auch attraktivere Arbeitsbedingungen im Hausarztberuf verantwortlich: «Die Zusammenarbeit in grösseren Praxen nimmt markant zu.» Demgegenüber gebe es immer weniger Einzelkämpfer im Hausarzt-Beruf. Das habe dazu geführt, dass die Medizinerinnen und Mediziner weniger gestresst seien und mehr Zeit für sich hätten.

Zudem investiere man an den Universitäten viel darin, das Image des Hausarztberufes aufzuwerten. Denn viele Studenten ziehen es vor, sich zum Spezialisten ausbilden zu lassen – auch wegen des höheren Lohns. «Es gibt jetzt an allen Universitäten schon von Beginn weg Kurse zu Hausarztmedizin», sagt Luchsinger. Und auch als Hausarzt könne man Geld verdienen. «Die Zufriedenheit im Beruf ist aber nicht nur vom Lohn abhängig.» Genau das wolle man den jungen Leuten aufzeigen.

Schliesslich ziehe es auch junge Frauen vermehrt in den Beruf. Dies auch wegen des Trends zu familienkompatiblen Teilzeitpensen, so Luchsinger. «Aber auch Männer sind froh darüber, dass das möglich ist.» Dass nun ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei, sei auch ein politischer Erfolg. «Wir müssen uns aber darauf einstellen, dass es die nächsten zehn, fünfzehn Jahren schwierig wird.»

Die aktuelle Studie kommt zum Schluss, dass die Schweizer Haus- und Kinderärzteschaft nach wie vor überaltert ist. Das Durchschnittsalter liegt bei 55 Jahren.

Um die absehbaren Lücken zu schliessen, wenn Hausärzte in Pension gehen, würden immer noch zu wenig Ärzte ausgebildet. Innerhalb von zehn Jahren bräuchte es laut Studie etwa 1000 zusätzliche Ärztinnen und Ärzte, um das Niveau zu halten.

Ärztin in Praxis
Legende: Junge Frauen zieht es vermehrt in den Hausarztberuf. Auch weil die Vereinbarkeit von Familie und Karriere durch Teilzeitpensen besser möglich wird. Keystone

Trotzdem sehen die Studienverfasser ein Licht am Ende des Tunnels. So nimmt etwa die Zahl der jüngeren, sprich unter 50-jährigen Hausärzte kontinuierlich zu. Ihr Anteil hat sich in zehn Jahren von 25 auf 34 Prozent erhöht.

Positiv gewertet wird auch, dass die Hausärzteschaft heute weniger lang arbeitet als früher, im Durchschnitt sind es 43 Stunden pro Woche. Zudem arbeitet die grosse Mehrheit der Hausärzte heute Teilzeit und ist deutlich zufriedener geworden.

Aus diesen Daten leiten die Haus- und Kinderärzte die politische Forderung ab, dass in der Schweiz mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden müssen, die in der Grundversorgung arbeiten können. Nur so könnten die Haus- und Kinderärzte die wichtige Rolle im Gesundheitswesen übernehmen, die ihnen auch der Bundesrat im jüngst vorgestellten Massnahmenpaket zuschreibt.

Rendez-vous vom 24.09.2020, 12:30 Uhr

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