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Drohender Energiemangel So will die Politik das Gespenst Winterlücke vertreiben

Eine drohende Stromlücke im Winter treibt die Politik um. Diverse Akteure legen nun Lösungsvorschläge vor.

In der Energiepolitik steigt die Nervosität. Da sind die drohende Winterlücke bei der Stromversorgung und die Grundsatzfrage, wie die Schweiz den Ausstieg aus Erdöl und Erdgas umsetzen soll. Vor diesem Hintergrund sind in den letzten Tagen verschiedene Akteure mit eigenen Konzepten in die Offensive gegangen. Am Donnerstag und Freitag beschäftigt sich auch die Umweltkommission des Ständerates mit dem drängendsten Problem, der Winterlücke.

Die Winterlücke war früher ein theoretisches Gespenst. Jetzt wird sie plötzlich Realität.
Autor: Pirmin Bischof Ständerat (Mitte/SO)

Mitte-Ständerat Pirmin Bischof sitzt in der Umweltkommission seines Rates und hält zunächst einmal folgendes fest: «Die Winterlücke war früher ein theoretisches Gespenst. Jetzt wird sie plötzlich Realität.»

Mit dem Abbruch des Rahmenabkommens mit der EU ist ein Stromabkommen in weite Ferne gerückt, gleichzeitig verändert sich das europäische Umfeld sehr rasch. Deshalb könnte die Schweiz gemäss kürzlichen Berechnungen der ELCOM bereits 2025 im Winter in einer Krise nicht mehr genügend Strom importieren. «Das ist recht dramatisch», sagt Bischof.

Greenpeace setzt auf Solarenergie

Greenpeace hat am Dienstag ein Konzept vorgelegt, wie das Problem zu lösen ist. Mit Blick auf die langfristigen Klimaziele fordert die Umweltorganisation grundsätzlich einen Ausbau der Photovoltaik – und zwar einen viel schnelleren und substantielleren als vom Bundesrat konzipiert. Das würde auch helfen, die Winterlücke zu schliessen, weil man im Winter mehr Wasserstrom zur Verfügung hätte, sagt Georg Klingler von Greenpeace: «Wenn wir die Photovoltaik stark ausbauen, liefert sie uns im Frühling früher und im Herbst/Winter länger Strom. Dadurch kann die Zeit, in der die Wasserkraft genutzt wird, so verkürzt werden, dass die Speicher ausreichen für die sichere Versorgung der Schweiz.»

Allerdings zeigen selbst die eigenen Berechnungen von Greenpeace, dass die Schweiz auch so in den nächsten Jahren im Winter noch immer etwas Strom importieren müsste. Würde dieser Importstrom wegfallen, bräuchte die Schweiz ein Backup – dazu sagt Klingler: «In diesem Fall wäre das tatsächlich ein Gas-Backup. Denn diesen braucht es zusätzlich zum bestehenden Wasserkraft-Park und dem schnellen Ausbau der Photovoltaik.» Auch Mitte-Politiker Bischof will ein Gaskraftwerk nicht ausschliessen.

«Bezahlte Ferien» für Unternehmen?

Anders denkt der Präsident der Schweizerischen Fachverbandes für Sonnenergie (Swissolar), der Grünliberale Jürg Grossen. Swissolar präsentierte ebenfalls ein eigenes Energiekonzept. Die Organisation setzt auch auf den raschen und substantiellen Ausbau der Photovoltaik und will dafür auch Hausbesitzer verpflichten, bei Sanierungen Photovoltaik-Anlagen auf ihre Dächer zu montieren. Grossen sagt aber zur drohenden Winterlücke: «Photovoltaik kann helfen, diese Lücken zu mindern. Sie kann sie aber nicht alleine schliessen. Es braucht Zusatzmassnahmen wie eine nachfrageseitige Steuerung des Bedarfs, sodass der Bedarf etwas heruntergefahren werden kann, wenn diese Lücke entsteht.»

Was kompliziert tönt, ist einfach: Der Staat würde kein Gaskraftwerk bauen, sondern Geld ausgeben, damit energieintensive Unternehmen an kritischen Tagen de facto Ferien machen: «In Grossbritannien funktioniert das. Es gibt dort Firmen, die gegen ein entsprechendes Entgelt bereit sind, ihre Produktion für ein paar Stunden zu drosseln.»

Comeback der Atomkraft?

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AKW Gösgen
Legende: Keystone

Ideen gibt es also viele und in dieser Situation bringt neben der SVP nun auch die FDP in ihrem neusten Energie-Papier ein neues Atomkraftwerk als Option in Spiel. Auch wenn das nur ein langfristig angelegtes Projekt sein könne, torpediere dies die Diskussion auch über kurz- und mittelfristige Massnahmen, kritisieren manche.

FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt will das so nicht gelten lassen: «Die FPD ist der Ansicht: Wenn sich die Technologie und Innovation in zwanzig Jahren weiterentwickelt haben und es eine Generation an KKW gibt, die sicher und nachhaltig ist und von privatwirtschaftlichen Investoren getragen werden kann – dann darf man sich dem nicht verschliessen. Aber in den nächsten zehn Jahren kommt das nicht infrage.»

Kurzfristig braucht es tatsächlich andere Massnahmen. Vorschläge liegen auf dem Tisch. Als nächstes ist der Bundesrat am Zug. Er wird in einer der nächsten Sitzungen seine diesbezüglichen Ideen präzisieren.

Rendez-vous, 26.01.2022, 12:30 Uhr

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