- Der Bundesrat will einen Systemwechsel im Bereich der psychologischen Psychotherapie: Neu sollen nicht nur Psychiater, sondern auch Hausärztinnen, Kinderärzte und Gynäkologinnen Behandlungen verordnen können.
- Menschen mit psychischen Problemen sollen so einfacher und rascher eine Therapie erhalten.
- Dagegen wehren sich nun die Krankenkassenverbände Curafutura und Santésuisse. Sie befürchten eine Zunahme von Anordnungen – auf Kosten der Prämienzahler.
Die Dachorganisation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen FSP steht jedoch weitgehend hinter dem Vorschlag. Die Unterversorgung in der Psychotherapie könne nur gelöst werden, wenn auch die Ärzte in der Grundversorgung Psychotherapien verordnen können, wird argumentiert.
Vor allem in ländlichen Gebieten und im Bereich der Kinderpsychiatrie herrsche Unterversorgung. Es fehlten Fachkräften für psychotherapeutische Behandlungen und oft müssten Patienten lange auf Termine warten, so der Tenor aus Fachkreisen.
Grund für diesen Engpass sei das Arbeitsmodell der Therapeuten: Fast die Hälfte der Psychotherapeuten arbeitet zumindest teilweise delegiert. Das heisst: Sie sind angestellt bei einem Arzt – einem Psychiater –, der die Gelder aus der Grundversicherung erhält und wiederum den Therapeuten entlöhnt.
Krankenkassen lehnen Vorschlag ab
Schon seit Jahren kämpfen die Therapeuten gegen diese Abhängigkeit von den Psychiatern. Im letzten Juni kommunizierte der Bundesrat einen Systemwechsel. Er will eine Abkehr vom Delegationsprinzip zum sogenannten Anordnungsprinzip.
Heute, einen Tag vor dem Ende der Vernehmlassung, äussert sich auch der Krankenkassenverband Santésuisse. Dass Psychologinnen und Psychologen neu selbstständig abrechnen und behandeln dürfen, begrüsse man im Verband grundsätzlich, sagt die Direktorin Verena Nold. Trotzdem lehnt er den Vorschlag des Bundesrates in der aktuellen Version nun ab.
Der Grund dafür liege in der Gefahr einer Mengenausweitung, da neu auch grundversorgende Ärzte wie Hausärzte, Kinderärztinnen und Gynäkologen Psychotherapien verschreiben dürfen, argumentieren die Krankenkassen.
«Es ist wichtig, dass die Qualität der Behandlung stimmt und dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Deshalb fordern wir, dass diejenigen, die eine Therapie anordnen, eine Zusatzausbildung in Psychotherapie haben», sagt Verena Nold, Direktorin von Santésuisse.
Uneinigkeit über Anzahl der Sitzungen
Ähnlich äusserte sich bereits gestern der andere Krankenkassenverband, Curafutura. Zudem verlangt der Verband zwei statt des vorgeschlagenen einen Jahres Berufserfahrung sowie maximal 10 Sitzungen pro Anordnung statt der vorgeschlagenen 15.
Für die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen FSP hingegen ist selbst diese Zahl zu tief. 15 Sitzungen reichten kaum je aus. Wenn danach bereits wieder ein Arzttermin für eine neue Verordnung fällig werde, verursache das unnötigen administrativen Aufwand, sagen sie. Insgesamt befürworten sie den Vorschlag des Bundesrates jedoch.
Nur durch eine breitere Verordnungskompetenz könne das Problem der Engpässe gelöst werden, sagt FSP-Geschäftsführerin Muriel Brinkrolf. «Uns geht es um das Wohl des Patienten. Schon heute müssen Patienten monatelang auf einen Behandlungsplatz warten – zum Teil mit verheerenden Folgen wie Arbeitsausfällen und stationären Aufenthalten. Da muss man entgegen wirken.» Schliesslich entstünden so noch höhere Kosten.