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Eingesperrt in der 1. Klasse SBB lässt Reisende trotz kaputter Verbindungstür Aufpreis zahlen

Das Personal habe die Regeln «ein wenig streng» ausgelegt, heisst es bei der SBB. Jetzt bittet die Bahn Betroffene zum Schalter.

Die Sommerferien sind vorbei, die Pendlersaison geht wieder los. Und damit auch ein alltägliches Szenario am Bahnhof: In letzter Minute kommen Reisende angerannt und steigen in den ersten oder letzten Wagen eines Zuges.

Einsteigen in der 1. Klasse ist erlaubt

Das ist erlaubt, auch für Kundinnen und Kunden, die mit einem Billett für die 2. Klasse in einen Wagen der 1. Klasse einsteigen. «Sofern Reisende umgehend Richtung 2. Klasse gehen, ist ein Einsteigen in der 1. Klasse akzeptabel», schreibt dazu die öV-Branchenorganisation Alliance Swisspass. Und im Normalfall könne man auch davon ausgehen, dass zwischen der 1. und 2. Klasse eine Verbindung bestehe.

Sofern Reisende umgehend Richtung 2. Klasse gehen, ist ein Einsteigen in der 1. Klasse akzeptabel.
Autor: Alliance Swisspass Branchenorganisation des öffentlichen Verkehrs

Auch die SBB hält fest, man solle zwar grundsätzlich in der gelösten Klasse einsteigen. «Wir verstehen aber auch, dass es in der Hektik des Alltags – etwa beim eiligen Umsteigen – manchmal nicht möglich ist.»

Zugpersonal: Kulanz wäre «unfair»

Am Dienstagabend wollten einige Reisende zwischen Bern und Zürich den geforderten schnellen Gang in die 2. Klasse antreten. Doch die Verbindungstür zwischen den Wagen der 1. und 2. Klasse war wegen einer technischen Störung gesperrt. Nach Abfahrt des Zuges waren Reisende deshalb in der 1. Klasse gefangen.

Das Zugpersonal zeigte wenig Verständnis. Bei allen kontrollierten 2.-Klass-Billetten kassierte es einen nachträglichen Klassenwechsel ab. Schliesslich hätten die Reisenden ja das Angebot der 1. Klasse in Anspruch genommen, so die Begründung. Unfreiwillig zwar, aber profitiert haben die Kunden, so die Logik.

Person steigt in Zug auf Bahnsteig ein.
Legende: Pendleralltag: Kurz vor Abfahrt noch in den ersten Wagen steigen, unabhängig von der Klasse. Das ist «akzeptabel», teilt die Alliance Swisspass mit, wenn man danach direkt in die 2. Klasse geht. Keystone / Ennio Leanza

Wegen der kaputten Tür auf eine Nachzahlung zu verzichten, wäre den Reisenden in der 1. Klasse gegenüber unfair, betonte das Zugpersonal. Das gelte grundsätzlich, auch wenn Betroffene in der 1. Klasse auf der Treppe oder Plattform stehen.  

Betroffene sollen sich am Schalter melden

SBB und Alliance Swisspass teilen mit, es passiere «sehr selten», dass der Durchgang zwischen den Klassen gesperrt sei. Dann gelte es, bei nächster Gelegenheit, also im nächsten Bahnhof, via Perron umzusteigen. Eine Option allerdings, die das Zug-Team im fraglichen Fall nicht akzeptieren wollte.

Person geht an geparktem Zug im Bahnhof vorbei.
Legende: In einem Doppelstock-Zug der SBB war die Verbindung zwischen der 1. und 2. Klasse unterbrochen. Man könne davon ausgehen, dass die beiden Klassen verbunden seien, sagt die öV-Branchenorganisation Alliance Swisspass. Keystone / Petra Orosz

Im Nachhinein ist das auch der SBB unrecht: Es sei zwar unmöglich zu eruieren, wie viele Klassenwechsel wegen der kaputten Verbindungstür verkauft wurden, heisst es auf Nachfrage. Aber betroffene Reisende sollten sich beim Kundendienst melden, schreibt die SBB. Dort werde der Klassenwechsel dann einzeln nochmal geprüft.

«Balance gelingt nicht immer»

Zum Vorfall vom Dienstag hält die SBB fest, ihr Personal müsse bei den Kontrollen innert kürzester Zeit Entscheidungen treffen. Dazu brauche es «Fingerspitzengefühl und Augenmass», schreibt eine Sprecherin. «Diese Balance gelingt meistens, aber nicht immer.»

Das Vorgehen sei zwar «rein tarifarisch korrekt», betont die Bahn, aber «ein wenig streng». Und weiter: «Wir verstehen, dass die Situation für die betroffenen Reisenden schwer nachvollziehbar war.»

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Espresso, 15.8.2025, 8:10 Uhr; wilh

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