Die Feuerwehr wird alarmiert, wenn es brennt – «brennt» im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Also, wenn es schnell gehen muss, weil ein Dachstock Feuer gefangen hat oder weil ein Bach über die Ufer getreten ist. So die Vorstellung. Die Realität ist aber eine andere. «Die Bevölkerung wählt schnell einfach mal die Notfallnummer, wenn sie nicht mehr weiter weiss», sagt Roland Gfeller, Kommandant der Feuerwehr Thun.
350 Einsätze verzeichnete die Milizfeuerwehr der Stadt im Berner Oberland letztes Jahr. So viele wie noch nie. Ein Drittel davon waren Kleinsteinsätze, also Einsätze wegen Bagatellen. Tendenz steigend. «Die Leute rufen uns, wenn eine Wasserleitung rinnt oder das Dach Leck geschlagen hat.» Das sei früher anders gewesen, so Roland Gfeller.
Die Bevölkerung wählt schnell einfach mal die Notfallummer.
Die Feuerwehr Thun ist kein Einzelfall, bestätigt beispielsweise Peter Frick. Als Berner Feuerwehrinspektor hat er den ganzen Kanton im Blick. Es gebe immer mehr Einsätze wegen Kleinigkeiten. «Die Feuerwehr wird gerufen und vor Ort sehen die Einsatzkräfte, dass ein Schlauch der Waschmaschine geplatzt ist und es zwei Zentimeter Wasser im Keller hat.» Ein unnötiger Feuerwehreinsatz, ein Anruf bei einem Handwerker hätte gereicht.
Mehr Kleinsteinsätze in der Stadt
Aber warum wird immer öfter zum Telefon gegriffen und die Feuerwehr alarmiert – wegen Kleinigkeiten wie geplatzten Waschmaschinenschläuchen? «Viele Menschen wissen nicht mehr, wie ihr Haus funktioniert», ist Roland Gfeller von der Thuner Feuerwehr überzeugt. Früher habe Bevölkerung mehr handwerkliches Geschick gehabt. «Dazu kommt die Anonymität. Bei einem Problem holt man sich nicht mehr in der Nachbarschaft um Hilfe, sondern ruft direkt bei der Feuerwehr an.»
Der Schweizerische Feuerwehrverband sieht in der Zuverlässigkeit der Feuerwehr einen weiteren Grund für immer mehr Kleinsteinsätze: «Die Feuerwehr kommt immer, schnell und ganz sicher», schreibt der Verband auf Anfrage. Und es gebe regionale Unterschiede. Konkret: dass in der Stadt eher zum Hörer gegriffen wird als auf dem Land. Diese Beobachtung teilt auch der Berner Feuerwehrinspektor Peter Frick.
Feuerwehr Thun reagiert
«Die Statistik zeigt, dass es in den städtischen Gebieten mehr solcher Kleinsteinsätze gibt. Auf dem Land wissen sich die Leute wohl eher noch zu helfen», so Frick. Immer mehr Kleinsteinsätze – das fordert die Feuerwehr. Besonders Milizfeuerwehren wie jene in Thun. Das Geld sei nicht das Problem, sondern die Zeit, erklärt der Thuner Feuerwehrkommandant Roland Gfeller. Die Feuerwehrleute müssen die Arbeit verlassen, für einen Einsatz, der eigentlich unnötig ist.
Dazu kommt: «Jeder Einsatz löst einen administrativen Prozess aus. Egal, ob die Feuerwehr einfach einen Wasserhahn zugedreht oder einen Brand im Dachstock gelöscht hat», erklärt Gfeller. Die Thuner Feuerwehr hat deshalb reagiert und sich umorganisiert. «Wir haben unsere Alarmgruppen verkleinert. Bei Kleinsteinsätzen rücken wir nur noch zu zweit aus.»