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Einsam während der Festtage «Wir alle sind ein bisschen die Dargebotene Hand»

Weihnachten ist das Fest der Liebe. Viele verbringen diese besinnliche Zeit mit ihren nächsten Angehörigen; mit Kindern, Freundinnen und Freunden, der Partnerin oder dem Partner.

Ein alter Mensch schaut in einem abgedunkelten Raum aus dem Fenster.
Legende: Wer sich einsam fühlt, spürt dies vor allem um die Weihnachtszeit herum. Getty

Das ist die schöne Seite der Geschichte. Doch es gibt auch eine andere, denn in der Schweiz sind viele Menschen einsam. Schon vor Corona publizierte das Bundesamt für Statistik eine Umfrage, wonach sich 38 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren einsam fühlten. Eine Studie der Universität Bern hat ergeben, dass die Pandemie dieses Gefühl nochmals verstärkt hat.

Klaus Rütschi ist Vizepräsident der Dargebotenen Hand Schweiz und Geschäftsführer der Zentralschweizer Sektion. Die Regionalstelle bedient die Kantone Luzern, Zug, Ob- und Nidwalden, Uri und Schwyz. Im Gespräch beschreibt er, wieso immer mehr Menschen anrufen und wie man das Gefühl der Einsamkeit lindern kann.

Klaus Rütschi

Klaus Rütschi

Geschäftsführer Dargebotene Hand Zentralschweiz

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Klaus Rütschi ist seit 2009 Geschäftsführer der Dargebotenen Hand Zentralschweiz und derzeit Vizepräsident des nationalen Dachverbands. Er hat Betriebswirtschaft an der Universität Innsbruck studiert und sich an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten in angewandter Psychologie sowie Arbeits- und Organisationspsychologie weitergebildet.

SRF News: Die Festtage stehen bevor. Was bedeutet das für die Dargebotene Hand?

Klaus Rütschi: Um die Weihnachtszeit verzeichnen wir in der Zentralschweiz deutlich mehr Anrufe. In normalen Monaten sind es so zwischen 800 und 900. Nun sind es rund 1100 Gespräche, welche unsere Mitarbeitenden führen. Der Anstieg beginnt schon im November, wenn das Wetter grauer und die Tage dunkler werden. Im Dezember gibt es aber eindeutig eine Spitze.

Welche Themen werden besprochen?

Die Betroffenen beschäftigen Beziehungskrisen, Stress und die hohe Erwartungshaltung vor Weihnachten. Sehr oft angesprochen wird das Thema Einsamkeit.

Sehr oft angesprochen wird das Thema Einsamkeit.

Vielleicht, weil der Partner oder die Partnerin gestorben ist, vielleicht, weil die Kinder ausgezogen sind und Weihnachten woanders feiern. Gemeinsam haben die Fälle, dass das Umfeld fehlt – und genau dies an Weihnachten besonders spürbar wird.

Wie helfen Ihre Mitarbeitenden diesen Personen?

Sie hören vor allem zu und versuchen, nach Lösungen zu suchen. Dabei stehen die Ressourcen der Menschen im Mittelpunkt. Wir fragen uns: Welche Möglichkeiten hat die betroffene Person? Es kann beispielsweise sein, dass sie beeinträchtigt ist, vielleicht wegen des Alters, einer Krankheit oder wegen finanziellen Engpässen.

Audio
Archiv: Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen nimmt zu
aus Echo der Zeit vom 23.03.2022. Bild: Imago Images
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 12 Sekunden.

Wichtig ist sicher, dass man unter die Leute geht. Es gibt beispielsweise offene Weihnachtsfeiern, die man spontan besuchen kann. Oder man wird sich wieder den eigenen Interessen bewusst und tut sich etwas Gutes.

Zuerst die Pandemie, nun der Krieg in der Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen. Die gegenwärtige Zeit ist von Krisen geprägt.

Und das spüren wir. Haben vor 2020 noch vier bis fünf Personen pro Stunde angerufen, sind es jetzt bis zu 16. In diesem Kontext sprechen wir auch über Atomdrohungen aus Russland oder die höheren Lebenshaltungskosten und die damit einhergehenden Existenzängsten. Vor allem scheint derzeit keine Abschwächung in Sicht, was zuweilen hoffnungslos macht.

Was ist Einsamkeit?

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Einsamkeit beschreibt grundsätzlich einen Mangel an sozialer Verbundenheit. Es ist ein unangenehmes Gefühl, das entsteht, wenn ein Mensch ein Missverhältnis zwischen seinen aktuellen und gewünschten sozialen Beziehungen wahrnimmt. Dieses Missverhältnis kann sich sowohl auf die Anzahl sozialer Beziehungen beziehen als auch auf deren Qualität.

Wichtig ist, Einsamkeit von Alleinsein und objektiver sozialer Isolation abzugrenzen. Soziale Isolation beschreibt einen objektiven Mangel an sozialen Kontakten, Alleinsein einen objektiven Zustand von alleine verbrachter Zeit.

Im Gegensatz dazu ist Einsamkeit ein subjektives Gefühl und von aussen nicht erkennbar. Abhängig von den individuellen Bedürfnissen kann eine Person alleine sein und sich nicht einsam fühlen und eine andere Person, trotz objektiv vorhandenen Beziehungen, Einsamkeitsgefühle empfinden.

Die Gespräche sind auch nicht nach fünf Minuten beendet, sondern dauern durchschnittlich etwa 25 Minuten. Wir sind stark ausgelastet und haben deshalb unsere Kapazitäten erhöht. 2020 arbeiteten für die Sektion Zentralschweiz noch 47 Personen. Nun sind es bereits über 60. Und 13 weitere absolvieren derzeit unsere einjährige Ausbildung.

Fühlen Sie sich einsam? Hier erhalten Sie Hilfe

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Wer sich einsam fühlt, kann sich bei verschiedenen Stellen melden und über die eigenen Gefühle sprechen. Hier eine Auflistung einiger Beratungsstelle – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Pro Juventute: Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche. Unter der Telefonnummer 147 helfen Fachpersonen zu Themen wie Familie, Freundschaft und Liebe, Sexualität oder andere persönliche Probleme. Die Kontaktaufnahme ist auch über Chat-Nachrichten oder E-Mail möglich.

Pro Mente Sana: Pro Mente Sana bietet kostenlose Beratung zu psychosozialen und juristischen Fragen für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, deren Angehörige und Nahestehende sowie weitere Bezugspersonen an. Die Kontaktaufnahme ist telefonisch oder als Textnachricht über das e-Beratungstool möglich.

Die Dargebotene Hand: Durch Gespräche und Online-Beratungen stehen freiwillige Fachpersonen rund um die Uhr für Betroffene zur Verfügung. Wenn Anrufende die Nummer 143 wählen, bleiben sie anonym.

Elternnotruf: Während 24 Stunden stellen Fachpersonen Beratungen für Eltern, Familien und Bezugspersonen sicher. Die Beratung kann auf Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch oder Spanisch telefonisch (0848 35 45 55, anonym und kostenlos) oder über E-Mail erfolgen. Auch persönliche Beratungen sind möglich.

Gibt es etwas, das man im Alltag tun kann, um den Betroffenen zu helfen?

Natürlich. Nur schon, wenn wir uns füreinander etwas Zeit nehmen, kann das sehr guttun. Ein kleiner Schwatz mit dem Nachbarn, ein kurzes Gespräch an der Kasse beim Einkaufen. Eine kleine Geste kann viel bewirken, denn eigentlich sind wir alle ein bisschen die Dargebotene Hand.

Das Gespräch führte Pascal Studer.

Rendez-vous, 21.12.2022, 12:30 Uhr;

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