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Einsamkeit macht krank «Der Mensch ist nicht zum Eremiten geboren»

Jeder und jede Dritte in der Schweiz fühlt sich einsam, wie Zahlen des Bundes aus dem Jahr 2017 zeigen. Thomas Ihde ist Psychiater und Präsident von Pro Mente Sana, der Organisation, die sich für psychisch beeinträchtige Menschen einsetzt. Er sagt, wie ihm die Einsamkeit in der Praxis begegnet.

Thomas Ihde

Präsident des Stiftungsrats bei Pro Mente Sana

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Dr. med. Thomas Ihde ist Chefpsychiater im Regionalen Spitalzentrum fmi im Berner Oberland und Präsident des Stiftungsrats bei Pro Mente Sana.

SRF News: Es gibt Studien, dass Einsamkeit die tödlichste Krankheit sei. Sie sei so schädlich wie 15 Zigaretten am Tag zu rauchen. Stimmt das?

Thomas Ihde: Ja, das sind neuere Daten. Man muss aber vorsichtig sein, denn es gibt Gesundheitsbooms. Doch die Daten zeigen relativ klar, dass Einsamkeit oder sich einsam fühlen ein sehr relevanter Gesundheitsfaktor ist, nicht nur für die psychische, sondern auch für die körperliche Gesundheit.

Wenn wir in Kontakt mit Menschen sind, gibt es Veränderungen auf hormoneller Ebene.

Warum ist Einsamkeit schädlich?

Wir Menschen sind nicht zum Eremiten geboren. Wir brauchen ein gewisses Mass an Stimulation. Wenn wir in Kontakt mit Menschen sind, gibt es Veränderungen auf hormoneller Ebene und auf der Ebene der Botenstoffe. Das alles ist gesundheitserhaltend.

Einsamkeit kann man auf hormoneller Ebene im Körper nachweisen?

Ja, das ist so. Die Beziehung zwischen Mutter und Kind oder Vater und Kind unmittelbar nach der Geburt ist rein hormonell gesteuert und überlebenswichtig für den Säugling.

Junge Menschen fühlen sich laut Umfragen oft einsam. Warum ist das so?

Man muss hier prinzipiell zwei verschiedene Ausprägungen beachten. Es gibt das Sich-Einsam-Fühlen. Dieses Gefühl kann bei Menschen bestehen, die in einem Raum voller Menschen sind oder die sieben beste Freundinnen haben, sich aber in einer gewissen Lebensphase trotzdem sehr einsam fühlen.

Es braucht eine Sensibilisierung der Bevölkerung dafür, dass Vereinsamung sehr ungesund ist.

Daneben gibt es Einsamkeit im Sinne von effektiv einsam sein, keine Sozialkontakte mehr haben. Dagegen gibt es in England Programme. Man hat gemerkt, dass in den Innenstädten ältere Menschen leben, die pro Woche weniger als zwei Begegnungen mit Menschen haben.

Wenn Menschen zu Ihnen als Psychiater kommen, und Sie spüren, dass sie sind einsam sind, wie behandeln Sie das?

Man muss wie gesagt unterscheiden. Bei uns ist das Gefühl des Einsamseins häufig, und das zeigt sich bei depressiven Erkrankungen. Da werden Menschen sehr sensibel im Kontakt, haben das Gefühl, dass sie von aussen zurückgewiesen werden. Da wird die Depression behandelt. Es geht auch darum, öfter Sozialkontakte wahrzunehmen und natürlich Situationen zu schaffen, wo Kontakt möglich ist.

In Grossbritannien gibt es eine Ministerin für Einsamkeit. Muss man die Einsamkeit so institutionalisieren?

Ich glaube, das Thema sollte mehr in die sozialen Strukturen eingebettet sein. Aber man muss schon sehen, wir haben in der Schweiz eine etwas andere Situation als in England. Das Gefühl der Vereinsamung ist in der Schweiz zwar auch sehr häufig. Aber Menschen, die ganz wenig soziale Kontakte haben, gibt es bei uns weniger als in England. Auch die Altersvereinsamung ist weniger ausgeprägt. Wir haben stärkere soziale Netze, aber auch die verändern sich. Vielleicht werden auch wir in Zukunft Menschen institutionell unterstützen müssen.

Wie könnte diese institutionelle Unterstützung aussehen?

Es gibt beispielsweise bei der Pro Senectute Angebote, bei denen Menschen ältere Menschen zu Hause besuchen. Es braucht eine Sensibilisierung der Bevölkerung dafür, dass Vereinsamung sehr ungesund ist und dass Menschen darunter leiden, auch unter dem Gefühl der Einsamkeit. Es könnte eine soziale Tat sein, beim Blocknachbarn, von dem man weiss, dass er keine Kontakte hat, auf eine Tasse Kaffee vorbeizuschauen.

Das Gespräch führte Monika Glauser.

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