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Ende der Corona-Massnahmen Nach zwei Jahren herrscht wieder Einigkeit – vorerst

«Die politischen Parteien stehen vereint und vorbehaltlos hinter dem Bundesrat.» So stand es am 16. März 2020 in einer gemeinsamen Medienmitteilung aller Parteien im Parlament, von Grünen bis zu SVP. Der Bundesrat hatte soeben einen Shutdown beschlossen und die ausserordentliche Lage ausgerufen. Der Schrecken über die rasant steigenden Corona-Zahlen sass allen in den Gliedern, man hatte keine Erfahrung mit einer solchen Pandemie und verbündete sich deshalb, von links bis rechts, gegen den «viralen Feind».

Mit der Eintracht war es dann schnell vorbei, Parteien, Wirtschaftsverbände und auch Kantone betonten lieber Unterschiede statt Gemeinsamkeiten. Die letzten zwei Jahre waren auch eine Zeit der politischen Zwietracht und Kakofonie.

Kleine Differenzen sind Nebensache

Heute, genau 23 Monate später, herrscht wieder Einigkeit. Schon die Kantone haben fast einstimmig die Aufhebung der Schutzmassnahmen gefordert. Nun begrüssen auch die Parteien die grossen Öffnungsschritte. Die kleineren Differenzen bezüglich Maskenpflicht (SP) oder Aufhebung der besonderen Lage (SVP) sind schon fast vernachlässigbar. Auch im Volk dürfte eine Mehrheit die schnelle und vollständige Aufhebung der Massnahmen befürworten. Und sogar die Taskforce, die sonst meistens als Warnerin auftrat, hatte sich in den letzten Stellungnahmen verhalten positiv gezeigt.

Beste Voraussetzungen also, um zusammen die politischen und gesellschaftlichen Aufgaben anzugehen. Die aufgerissenen Gräben in der Gesellschaft müssen wieder zugeschüttet werden, jetzt wo die Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften keine Rolle mehr spielt. Die letzten zwei Jahre sollen schonungslos, aber fair aufgearbeitet und die richtigen Schlüsse gezogen werden.

Die nächste Welle kommt bestimmt

Und vor allem: Wir sollten uns auf die nächsten Wellen vorbereiten, die in der einen oder anderen Form kommen werden. Die Taskforce hat in ihrem aktuellen Bericht die Massnahmen dafür aufgezählt: Für eine gute Luftqualität und Luftzirkulation in Innenräumen (Schulen!) sorgen, die Datenerhebung und -Auswertung verbessern, die Testkapazitäten weiterhin bereitstellen, die Kapazitäten in den Spitälern erhalten und ausbauen.

Es ist allerdings zu befürchten, dass auch die momentane Einigkeit, zumindest bei den Parteien, eher von kurzer Dauer ist; der Wahlkampf für die Eidgenössischen Wahlen 2023 steht ja vor der Tür. Die Hoffnung ruht deshalb auf den Kantonen. Die können, oder besser gesagt, müssen spätestens ab April, wenn der Bundesrat die besondere Lage aufgehoben hat, wieder schalten und walten, wie sie wollen. Im Herbst wird sich dann wahrscheinlich zeigen, wer die neugewonnene Freiheit am verantwortungsvollsten genutzt hat.

Urs Leuthard

Leiter Bundeshausredaktion

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Seit Sommer 2020 ist Urs Leuthard Leiter der Bundeshausredaktion von Fernsehen SRF. Bereits seit 2002 moderiert er das «Abstimmungsstudio» und analysiert Wahlen und Abstimmungen. Bis 2008 war er Moderator und Redaktionsleiter der «Arena», danach wechselte er zur «Rundschau», bevor er 2012 die Redaktionsleitung der «Tagesschau» übernahm.

Hier finden Sie weitere Artikel von Urs Leuthard und Informationen zu seiner Person.

SRF 1, 16.02.2022, 14:00 Uhr

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