Die Stadt Zürich plant, im Niederdorf zwei umstrittene Inschriften abzudecken. Nach einem Urteil des Bundesgerichts hat die Stadt dazu nun freie Hand. «Zum Mohrenkopf» und «Zum Mohrentanz» steht aktuell an den historischen Gebäuden. Der Zürcher Heimatschutz hatte sich gegen die Abdeckung gewehrt. Nun fürchtet der Heimatschutz, dass dies für die restliche Schweiz eine Signalwirkung haben könnte und weitere Kulturdenkmäler zur Diskussion gestellt werden.
Wenn Kulturgüter entfernt werden, gibt es keine Möglichkeit, sich mit einem allfällig problematischen historischen Kontext auseinanderzusetzen.
So sagt Evelyne Noth, Präsidentin des Stadtzürcher Heimatschutzes: «Ich denke da etwa an den Mohrenbrunnen in Schaffhausen oder den Kindlifresserbrunnen in Bern. Das sind auch Kunstwerke, bei denen man argumentieren könnte, dass sie aus dem öffentlichen Raum entfernt werden sollen.»
Sie findet die Entwicklung besorgniserregend. Moderner Denkmalschutz verlange, dass Bauzeugen aus allen Epochen erhalten bleiben – das gelte nicht nur für positiv gewertete Denkmäler, sondern auch für solche, bei denen unklar ist, wie sie zu interpretieren sind. Und sie sagt: «Wenn Kulturgüter entfernt werden, gibt es keine Möglichkeit, sich mit einem allfällig problematischen historischen Kontext auseinanderzusetzen, eine Diskussion wird so unterbunden.»
Reicht eine Plakette?
Anders sieht dies Philip Bessermann, Geschäftsleiter der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus: «Meines Erachtens ist es unrealistisch, dass sich die Menschen mittels einer Plakette wirklich mit dem Hintergrund einer solchen Inschrift auseinandersetzen.» Gerade an einem Ort wie dem Zürcher Niederdorf, wo die Leute sich in ihrem Alltag bewegen und nicht hingehen, um sich mit der Geschichte des Orts zu beschäftigen.
Für einen ernsthaften Umgang mit der Geschichte brauche es Lehrmittel oder Rundgänge. «Eine einordnende Plakette ist oft die Minimallösung.» Mit der Abdeckung kann Bessermann gut leben. Problematisch sei, dass sich die Schweiz oft zu wenig kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetze.
Eine einordnende Plakette ist oft einfach die Minimallösung.
Bei der Diskussion, wie mit Kulturdenkmälern mit problematischer Wirkung oder rassistischem Hintergrund umgegangen werden soll, stehen sich oft zwei Grundhaltungen gegenüber: Abdecken aufgrund der problematischen Wirkung oder stehen lassen und einordnen.
Letzteres findet Caspar Hirschi, Professor für Geschichte an der Universität St. Gallen, in der Regel die reifere Lösung. Gerade dann, wenn die historische Bedeutung vielfältig und die heutige Wirkung unklar ist: «Das Wort ‹Mohr› kommt im heutigen Sprachgebrauch kaum noch vor. Zudem war seine historische Verwendung nicht immer abwertend, sonst hätten wir in der Weltliteratur keine tragische Heldenfigur wie Shakespeares ‹Othello›.»
So unterstelle man Menschen der Vergangenheit teils vorschnell unmögliche Positionen und nehme für sich eine moralische Überlegenheit in Anspruch. Zudem werde man die Vergangenheit nicht los, indem man sie zudecke: «Es wird tabuisiert anstatt thematisiert.»
Auseinandersetzung mit dem umstrittenen Erbe
Letztlich müsse man aber von Fall zu Fall entscheiden. So findet es Hirschi gerechtfertigt, Denkmäler für historische Grossverbrecher aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Als Beispiel nennt er Statuen des belgischen Königs Leopold II., der im Kongo schreckliche Verbrechen verantwortet hat.
Unabhängig von der Lösung, die gewählt wird: Entscheidend ist, dass wir uns weiterhin mit der Geschichte auseinandersetzen.