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Entscheid des Bundesgerichts Zürcher Obergericht muss im Fall Brian nochmals über die Bücher

  • Das Bundesgericht hat im Fall Brian das Urteil des Zürcher Obergerichts aufgehoben.
  • Der Grund: Die Abklärungen des Obergerichts seien unzureichend gewesen, urteilte das Bundesgericht.
  • Das Obergericht muss nun nochmals untersuchen, ob Brian die ihm vorgeworfenen Delikte aus einer Notstandssituation heraus begangen hat.

Das Obergericht Zürich begründete seine Verneinung der Notstandslage im Urteil vom Mai dieses Jahres vor allem mit einem Urteil des Bundesgerichts zu einem Verlegungsgesuch von Brian.

In besagtem Verlegungsentscheid kam das Bundesgericht im März zum Schluss, dass sich die Haftbedingungen von Brian in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies im Kanton Zürich wegen der besonderen Umstände noch rechtfertigen liessen.

23 Stunden pro Tag alleine in der Zelle

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Brian wurde vom Zürcher Obergericht im Mai zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten sowie einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 10 Franken verurteilt. Von einer Massnahme oder einer Verwahrung – wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte – sah das Obergericht ab.

Der Angeklagte befindet sich seit seiner Verlegung in das Gefängnis Pöschwies in Einzelhaft in der Sicherheitsabteilung. 23 Stunden pro Tag verbringt er alleine in seiner Zelle. Beim einstündigen Spaziergang hat er lediglich zu den Gefängnisangestellten Kontakt. Die Haftbedingungen wurden im Sommer vom UNO-Sonderberichterstatter für Folter kritisiert.

Dieser Entscheid des Bundesgerichts bezog sich aber nur auf die Zeit ab dem 17. August 2018, als Brian in das Gefängnis Pöschwies verlegt wurde. Die Taten, die das Obergericht zu beurteilen hatte, fallen jedoch in den Januar, April und Juni 2017, den März und April 2018 und in die Zeitphase zwischen August und Oktober 2018. Dies hält das Bundesgericht in seinem am Mittwoch veröffentlichten Urteil fest.

Nicht geprüft hat das Obergericht demnach die Haftbedingungen vor dem 17. August 2018. Damit hat die Vorinstanz laut Bundesgericht einen für die Beurteilung der Notstandslage relevanten Zeitraum unbeachtet gelassen.

Relevanter Zeitraum nicht berücksichtigt

Das Bundesgericht rügt im Urteil das Zürcher Obergericht. Es habe sich nicht damit auseinandergesetzt, obwohl der Angeklagte wiederholt darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er seit seinem zehnten Lebensjahr von Behörden und Staat wiederholt unmenschlich und erniedrigend behandelt worden sei.

Nun muss das Obergericht den Fall neu aufrollen und den Sachverhalt vervollständigen. Dabei hat es auf Geheiss des Bundesgerichts auch die als Beweismittel abgelehnten Privatgutachten und die Tagebucheinträge von Brian zu berücksichtigen.

Diese hätten gemäss Bundesgericht nicht den gleichen Stellenwert wie ein von der Behörde in Auftrag gegebenes Gutachten, dennoch könnten die Informationen Zweifel an der Schlüssigkeit eines Gerichtsgutachtens begründen oder die Notwendigkeit aufzeigen, ein zusätzliches Gutachten erstellen zu lassen.

SRF Regionaljournal Zürich, 8.12.21, 12 Uhr ; 

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