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Entwurf für Europabericht Bundesrat: Bilateraler Weg mit der EU ist die beste Lösung

  • Der Bundesrat hat einen Entwurf seines Berichts zur «Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz-EU» präsentiert.
  • Darin kommt er zum Schluss, dass der bilaterale Weg für die Schweiz weiterhin die vorteilhafteste Lösung ist.
  • Zum gleichen Ergebnis kam er bereits in seinen europapolitischen Berichten 2006 und 2010.

Der aktuelle Bericht zieht eine Zwischenbilanz des bilateralen Wegs und evaluiert die gegenwärtigen europapolitischen Handlungsoptionen der Schweiz. Zur Diskussion standen die Optionen Freihandelsbeziehung, Fortsetzung des bilateralen Wegs, EWR-Beitritt und EU-Beitritt.

«Eine entscheidende Schwäche»

Der Bundesrat komme zum Schluss, dass der bilaterale Weg für die Schweiz weiterhin die beste Lösung sei, schreibt das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) nach der Bundesratssitzung vom Freitag.

Im Bericht wird jedoch auch konstatiert, dass der bilaterale Weg «eine entscheidende Schwäche» besitzt. Denn die EU habe ihre Bereitschaft zur Fortsetzung einer bilateralen Zusammenarbeit von Bedingungen, namentlich institutioneller Natur, abhängig gemacht.

Wie weiter in der Richterfrage?

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Wer soll künftig entscheiden, wenn es zwischen der Schweiz und der EU bei bestimmten Rechtsfragen einen Konflikt gibt? Die EU fand bisher: Der Europäische Gerichtshof. In der Schweiz stösst dies insbesondere bei der SVP unter dem Stichwort fremde Richter auf Widerstand. Ebenso bei den Gewerkschaften, sobald es um Lohnschutzfragen geht.

Was die Richterfrage betrifft, so wird aus dem Entwurf des Europaberichts klar: Die EU kann sich beim Lohnschutz der Personenfreizügigkeit Ausnahmen vorstellen. Zu lesen ist:

«Die EU-Delegation respektiert den Schweizer Ansatz, bei der Personenfreizügigkeit Ausnahmen und Prinzipien vorzusehen. (…) Selbst im Falle einer Rolle des EuGH im Streitbeilegungsverfahren würden diese Ausnahmen ((entsprechend)) nicht der Auslegungskompetenz des EuGH unterliegen.»

Könne mit der EU keine Lösung gefunden werden, dann bestehe das Risiko, dass der bilaterale Weg den Interessen der Schweiz mittelfristig nicht mehr gerecht werde, heisst es weiter.

«Dieses Problem muss in der nächsten Zukunft gelöst werden.» Das werde aber nicht gehen, «ohne dass die Schweiz auf Anliegen der EU eingeht». Aber auch die EU müsse bereit sein, «mit der Schweiz pragmatische Lösungen zu suchen».

Intensivere Sondierungsgespräche

Im Bericht wurden auch die laufenden Sondierungsgespräche mit der EU-Kommission thematisiert. Es sei der Schweiz und der EU gelungen, wieder Vertrauen aufzubauen. Dank den Sondierungs- und den technischen Gesprächen habe man zudem «ein gemeinsames Verständnis über den vom Bundesrat eingebrachten Paketansatz» entwickeln.

Einschätzung der Bundeshauskorrespondentin

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Zur Bedeutung des Berichts sagt Bundeshauskorrespondentin Larissa Rhyn: «Grundsätzlich bestätigt er noch einmal, dass der Bundesrat beim bilateralen Weg bleiben will. Das ist wenig überraschend. Allerdings gibt er Aussenpolitikerinnen und Aussenpolitiker im Parlament jetzt erstmals offiziell Stellung zu seiner Europa-Strategie zu nehmen. Entsprechende Forderungen kamen immer wieder aus dem Parlament gegeben, und diesen wird jetzt Rechnung getragen. Aber: Die Euro-Turbos unter den Parlamentariern hätten sich erhofft, dass der Bericht konkreter aufzeigt, wo noch Differenzen zwischen Bern und Brüssel bestehen.»

Im Bericht geht es auch um die Rolle des Europäischen Gerichtshofs. Offenbar ist Brüssel bereit, sich auf die Schweiz zu zubewegen. Rhyn weist allerdings darauf hin, dass die EU den europäischen Gerichtshof natürlich nicht per se aufgebe. «Sie wäre bereit, bei der Personenfreizügigkeit gewisse Ausnahmen festzulegen. Das ist interessant, weil sich ja nicht nur bürgerliche Kreise gegen die sogenannt fremden Richter wehren, sondern auch die Gewerkschaften. Und zwar dann, wenn es um den Lohnschutz geht. Könnte der Bundesrat beispielsweise ausschliessen, dass ein EU-Gericht gegen die Schweizer Kautionsregeln vorgeht, wären die Gewerkschaften wohl auch eher bereit, ihrerseits Anpassungen zu akzeptieren. Nur: Zu welchen Ausnahmen die EU bereit wäre, wird im Bericht nicht klar. Und das wäre entscheidend zu wissen.» Geklärt werden die offenen Fragen laut Rhyn folgendermassen: «Der Bundesrat erwartet beim Lohnschutz und der Zuwanderung verbindliche Zusicherungen der EU.» Vorher wolle er nicht entscheiden, ob wieder verhandelt werde. «In Bern heisst es, es solle mindestens eine weitere Sondierungsrunde geben – und diese dürfte wohl frühestens im Januar stattfinden», so die Bundeshauskorrespondentin. Damit sei vorerst auch kein Besuch von Aussenminister Cassis in Brüssel zu erwarten.

Bevor jedoch die Schweiz und die EU Verhandlungen aufnehmen könnten, «muss eine ausreichende gemeinsame Basis gefunden werden. Die Sondierungen sollen darum weiterhin intensiv fortgesetzt werden», heisst es weiter. Laut dem Bundesrat gewinnen in der aktuell von multiplen Krisen geprägten Weltlage «abgesicherte stabile Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU» an Bedeutung.

Der Bundesratsbeschluss zur Verabschiedung des Berichts wurde unter Vorbehalt der Ergebnisse der Konsultation der Aussenpolitischen Kommissionen der beiden Räte gefasst. Damit trage der Bundesrat dem verschiedentlich geäusserten Wunsch des Parlaments Rechnung, enger in die Europapolitik eingebunden zu werden, schreibt das EDA.

Tagesschau, 09.12.2022, ; 

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