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Erneuerbare Stromversorgung Parlament auf Kompromisssuche bei Umsetzung der Energiewende

  • In einer mehrstündigen Debatte hat der Ständerat den Mantelerlass der Strom- und Energieversorgung beraten.
  • Die kleine Kammer hat sich gegen eine Solarpflicht bei sämtlichen Neubauten und gegen eine Parkplatzsolarpflicht ausgesprochen.
  • Zwischen den Räten bleiben viele Punkte strittig.

Die erste Runde der Differenzbereinigung im Ständerat dauerte viereinhalb Stunden – und konnte nicht wie geplant zu Ende beraten werden. Die Komplexität des Geschäfts zeigte sich auch darin, dass in der vorberatenden Kommission 90 neue Anträge diskutiert worden waren.

Ausbau der Erneuerbaren – darum geht es

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Für eine sichere Stromversorgung soll die Schweiz mehr Wasser-, Sonnen- und Windstrom produzieren. Das Parlament will höhere Produktionsziele und den Bau/Ausbau von Kraftwerken erleichtern. Dafür will es den Landschafts- und Naturschutz lockern.

National- und Ständerat wollen 15 Wasserkraftprojekte beschleunigt umsetzen, auf die sich Naturschutz und Strombranche geeinigt haben. Geplant sind auch ein Ausbau bei den Subventionen für neue Kraftwerke und ein Mindestabnahmepreis für privat produzierten Solarstrom. Der Stromverbrauch pro Person soll sinken.

Das ist umstritten :

  • Naturschutz : Kraftwerke sollen in neu entstandenen Landschaften möglich werden, wo bis vor Kurzem noch Gletscher lagen. Bürgerliche Ratsmitglieder sind bereit, künftig mehr Wasser für die Stromproduktion abzuzweigen. Das ist eine rote Linie für die politische Linke und Umweltschutzorganisationen.
  • Solarpflicht : Grössere Gebäude und Parkplatzfelder sollen mit Fotovoltaik-Panels nachgerüstet respektive überdacht werden können. Eine Pflicht bei Gebäuden will der Nationalrat nur bei Neubauten oder grossen Sanierungen. Im Ständerat beantragt die Kommission keine neuen Solarpflichten.

Das ist der aktuelle Stand: Der Nationalrat möchte es Betreibern von Kraftwerken erlauben, mehr Wasser zu nutzen als heute zulässig. Im Ständerat beantragt die Kommission, das abzulehnen. Hingegen möchte sie in bestimmten Gebieten der Solar- und Windenergie den Vorrang geben. Ziel der Kommission ist eine breit abgestützte Vorlage, weshalb sie neue Vorschläge einbringt, um den Ausgleich zwischen den Zielen – mehr Strom UND Natur- und Umweltschutz – zu erreichen. (Christine Wanner)

Alleine die Diskussion über die sogenannten Restwasserbestimmungen dauerte fast zwei Stunden. Schliesslich setzte sich ein Einzelantrag von Stefan Engler (Mitte/GR) hauchdünn nach Stichentscheid der Ständeratspräsidentin durch.

Demnach soll der Bundesrat bei einer drohenden Energiemangellage die Restwasservorschriften unterhalb von Wasserkraftwerken befristet lockern können. Gelten würden nur noch die minimalen Restwassermengen nach aktuellem Gewässerschutzgesetz.

Mitte-Ständerat Stefan Engler
Legende: Dem Antrag von Mitte-Ständerat Stefan Engler wurde durch Stichentscheid der Ständeratspräsidentin knapp Folge gegeben. KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE

Der Nationalrat hatte im Frühling beschlossen, die Restwasservorschriften für bestehende Wasserkraftwerke zu sistieren, bis genügend Winterstrom vorhanden ist. Dies sorgte bei Umweltschützern für Empörung. Die zuständige Ständeratskommission beantragte deshalb, dass die Restwasserbestimmungen weiter uneingeschränkt gelten sollen. Der Antrag unterlag jedoch dem Vorschlag von Engler, der auch im Nationalrat zu reden geben dürfte.

Die rasche Inkraftsetzung der Vorlage ist Umweltminister Albert Rösti wichtig, weil die Schweiz rasch aus der Gefahr einer Mangellage herauskommen müsse. «Für mich als Energieminister ist es im Moment zentral, dass wir die Projekte jetzt bauen können», sagte Rösti im Hinblick auf die 15 geplanten Wasserkraftprojekte.

Keine Solarpflicht für Neubauten

Ausserdem hat der Ständerat die vom Nationalrat beschlossene Solarpflicht für sämtliche Neubauten abgelehnt. Es handle sich dabei um einen zu starken Eingriff ins Privateigentum und die Hoheit der Kantone, so der Tenor der Mehrheit. Gemäss dem Nationalratsbeschluss müssten Neubauten mit einer Fläche von über 300 Quadratmetern mit Solarpanels ausgestattet werden.

Anders als der Nationalrat ist der Ständerat auch gegen die Einführung einer Pflicht, Fahrzeugabstellflächen ab einer bestimmten Grösse mit Solarelementen zu überdachen. Jakob Stark (SVP/TG) warnte wie die Mehrheit des Ständerats vor einem Eingriff in kantonale Kompetenzen.

Die Ratslinke wollte eine umfassende Solarpflicht wie der Nationalrat durchsetzen, scheiterte aber mangels Unterstützung aus der Mitte des Rates. Für Lisa Mazzone (Grüne/GE) rückt damit eine Solar-Volksinitiative näher. Ansonsten drohe man auf halbem Weg der Energiewende stehenzubleiben.

Keine Kraftwerke in Biotopen von nationaler Bedeutung

In einem anderen Punkt entschied der Ständerat dagegen im Sinne der Umweltschützer. Wie auch vom Nationalrat beschlossen, sollen Kraftwerke in Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten weiterhin ausgeschlossen sein. In neu entstehenden Gletschervorfeldern und alpinen Schwemmebenen sollen solche hingegen grundsätzlich infrage kommen.

In zahlreichen weiteren Punkten gibt es noch Differenzen zwischen den Räten. Die Vorlage geht nach Abschluss der Debatte im Ständerat zurück an den Nationalrat.

Echo der Zeit, 01.06.2023. 18:00 Uhr ; 

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