Für werdende Mütter einen temporären Ersatz einzustellen, ist in vielen Firmen üblich. Nicht so in der Zürcher Politik: Nach Geburten bieten sich Politikerinnen bislang häufig nur zwei Möglichkeiten – eine sehr lange Pause oder der Rücktritt aus dem Parlament.
Das Zürcher Kantonsparlament hat sich nun dafür ausgesprochen, dass während der Mutterschaft, aber auch bei Krankheiten oder Unfällen Ersatzfrauen oder -männer die Parlamentsarbeit übernehmen können. Solche Stellvertretersysteme kennen schon einige Kantone in unterschiedlichen Formen – etwa das Wallis, der Jura, Graubünden, Genf, Neuenburg und der Aargau.
Gar von zu Hause aus abstimmen können Kantonspolitikerinnen und -politiker in Basel-Stadt. Dies dann, wenn eine Anwesenheit im Kantonsparlament nicht möglich ist.
Nun will mit Zürich ein weiterer Kanton Massnahmen treffen für den Fall, dass ein Mitglied des Kantonsparlaments nicht an Sitzungen teilnehmen kann. Das Nachrücken im Parlament soll möglich sein – und zwar für mindestens drei Monate, aber höchstens für ein Jahr.
Jede Stimme ist entscheidend
«Politik muss für alle machbar sein, auch wenn das Leben dazwischenkommt», sagte Isabel Bartal von der SP im Kantonsrat. Eine Stellvertreterregelung biete Schutz in schwierigen Lebenslagen.
Neben den Grünen und der AL setzten sich auch Grünliberale und Mitte dafür ein, Ersatzpersonen bei Ausfällen in den Rat zu schicken. Sonja Gehrig von der GLP betonte etwa, dass bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen jede Stimme entscheidend sein könne. «Eine Vakanz im Parlament hinterlässt eine Lücke», sagte sie. «Wie ein Zahn mit Karies, den man nicht flicken darf.»
Und es sei auch demokratisch völlig legitim, ergänzte Tina Deplazes von der Mitte-Partei, wenn die nächste Person auf der Wahlliste eine Stellvertretung übernehme.
Ein Problem, das nicht existiert
Nichts wissen von einem «Nachrücken auf Zeit» wollten SVP und FDP. Roman Schmid (SVP) betonte etwa, dass die Wähler eine Person und keine Stellvertretung wählten.
Politiker fehlen dann halt. Das gehört zum Milizsystem. Wir wollen keine Temporär-Politiker.
Zudem seien solche Vertretungen immer mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden, ergänzte Corinne Hoss-Blatter von der FDP. Die Anwesenheit im Rat sei sehr hoch. Es werde ein Problem gelöst, das gar nicht existiere.
Auch in den Gemeinden sollen die neuen Regeln gelten
Das letzte Wort, ob Ersatzfrauen und -männer im Zürcher Kantonsparlament erlaubt werden, hat das Volk. Geplant ist, dass die Stellvertreterregelung auch für Politiker in den Gemeindeparlamenten gilt. Jene Gemeinden, die die Temporär-Politiker erlauben möchten, müssen dazu aber erst noch selbst eine Volksabstimmung durchführen.